Radikal reformieren

Weg mit einem verstaubtem Bildungswesen! Das fordert der Ex-Finanzminister, Industrielle und besorgte Bürger Hannes Androsch in seinem Kommentar zur „Allgemeinbildung 2020”.

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Bildung als zentraler Motor gesellschaftlicher Weiterentwicklung

Vor dem Hintergrund einer sich rasant verändernden Gesellschaft ist auch der Bildungsbegriff einem steten Wandel unterworfen. Der zunehmende Bedeutungsgewinn neuer Medien und Technologien, die kontinuierlich dichter werdende weltweite Vernetzung, steigende wirtschaftliche Anforderungen sowie wachsende gesellschaftliche Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern dringend eine Abkehr von unzeitgemäßen bildungspolitischen Konzepten und ein generelles Neudenken des mittlerweile verstaubten Bildungsverständnisses, das immer noch das Herzstück unseres österreichischen Bildungswesens darstellt. Analog zu einer Neukonzeption des Bildungsbegriffs muss auch Allgemeinbildung an die Anforderungen der modernen Welt angepasst werden. Allgemeinbildung umfasst bei weitem mehr, als bei der Millionenshow mit dem Wissen über geografische Eckpfeiler, historische Begebenheiten oder physikalische Prozesse gut abzuschneiden.

Weg vom Auswendiglernen – hin zu Fertigkeiten

Allgemeinbildung besteht einerseits aus dem Erlernen von Fähigkeiten und Fertigkeiten, um sich in einer hochtechnologisierten, vernetzten Welt beruflich sowie privat zurecht zu finden. Das verlangt genau das Gegenteil von noch immer häufig angewandten Unterrichtsmethoden wie Auswendiglernen, Frontalvorträgen und sämtlichen anderen Formen der Bevormundung von jungen, kritischen Geistern. Die Vermittlung von Fertig- und Fähigkeiten bedeutet, dass SchülerInnen lernen, wie etwas getan wird, wo sie nachschlagen können, wie sie mit Herausforderungen umgehen und wie konzeptionell an eine Aufgabe herangegangen wird. Vernetztes Denken, Kreativität in Problemlösungen, soziale Kompetenz und Teamfähigkeit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit sind bereits jetzt in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen zentrale Schlüsselqualifikationen, die in Zukunft aus einem beruflichen Anforderungsprofil nicht mehr wegzudenken sind.

Wir brauchen Mut- statt WutbürgerInnen!

Gleichzeitig sind diese Kompetenzen auch unabdingbar für die persönliche Entfaltung und individuelle Weiterentwicklung, für eine Perspektive ohne Scheuklappen und einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Gesellschaftliche Teilhabe, Zivilcourage und das Ergreifen von Initiative abseits von Raunzen und Murren erfordert eine Erziehung zu selbstbewusster, kritischer Reflektion und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Wir brauchen Mutbürger und Mutbürgerinnen, die sich aktiv an politischer Gestaltung beteiligen und, wenn nötig, eingeschlafenen PolitikerInnen oder polemischen DemagogInnen auf die Finger klopfen. Im Zuge des Volksbegehren Bildungsinitiative war es äußerst erfreulich zu sehen, welch breites Mobilisierungspotenzial an engagierten gesellschaftlichen Kräften vorhanden ist. Eine umfassende Allgemeinbildung muss diese Entwicklung fördern und die Erziehung zu kritischen, mündigen BürgerInnen mit einschließen.

Strukturelle Voraussetzungen schaffen

Derzeit sind die strukturellen Rahmenbedingungen für die Vermittlung umfassender Allgemeinbildung alles andere als vorhanden. Der dramatische Qualitätsverlust von Österreichs Bildungswesen bereitet mit mir einer großen Gruppe von Menschen massive Sorgen und schreit lauthals nach dringenden, radikalen Reformen. Als Land ohne Rohstoffe braucht Österreich ein qualitativ hochwertiges und faires Bildungssystem als zentrale Triebfeder für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Die bestmögliche (Aus)Bildung unserer Jugend ist sowohl eine unersetzbare Investition in die Zukunft, als auch wichtiger Ausdruck von Generationengerechtigkeit. Gleichzeitig vermittelt ein Bildungswesen, das den Ansprüchen der modernen Welt gerecht wird, Allgemeinbildung an alle Altersstufen und bietet jederzeit die Möglichkeit zur Weiterentwicklung oder Neuorientierung.

AD PERSONAM

Dr. Hannes Androsch, Industrieller und Ex-Finanzminister (SPÖ), ist Organisator des Volksbegehrens „Österreich darf nicht sitzenbleiben!”

Dieser Text ist Teil der twenty.twenty Blogparade. Der vierte Teil von twenty.twenty findet zum Thema "Allgemeinbildung" am 14.4. im Hub Vienna statt.

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