Wir haben die Veranstalter von Rapper lesen Rapper interviewt und wollten unter anderem wissen, wie viel Straße eigentlich in Reclam steckt.
Der Name der Veranstaltung spricht eigentlich schon für sich. Österreische MCs versammeln sich heute im Brut, um (auch vergessene) Größen der Rapgeschichte neu zu interpretieren. Nach den letzten Ausgaben im Werk X hat man damit eine neue, noch größere Home-Base gefunden.
Unter den Lesenden finden sich bei dieser Ausgabe der Wiener Musiker Gerard, der Ende 2016 das Label Futuresfuture mit Ilias Dahimène gründete und dessen neues Album „AAA“ am 23.06. erscheinen wird, DJ Phekt, Host der FM4 Hip-Hop-Show “Tribe Vibes”, der Salzburger Rapper Sayne One, Poetry-Slam-Pionierin Mieze Medusa und die Schlager-Boys der Schönbrunner Gloriettenstürmer. Bevor das Wortgefecht startet, kann man sich noch bei einem Glaserl Rotwein mit den Protagonist_innen über Kunst und die Welt unterhalten, danach folgt eine Aftershowparty – unter anderem mit B.Visible.
Wir haben die Köpfe der Veranstaltung schon vor der letzten Ausgabe interviewt und noch einige Fragen ergänzt:
Wie kam es zu der ersten Idee und der darauf folgenden Veranstaltung?
Eigentlich war es eine unvorhergesehene Verkettung an Zufällen, die aus einer im kleinen Kreise erdachten Schnapsidee eine unterhaltsame Abendveranstaltung werden ließ. Anfangs stand die Location und nachdem die Idee ausformuliert und niedergeschrieben war, auch sehr fix der Rest von dem Event. Wir haben ein paar befreundete Rapper gefragt, ob sie nicht Lust hätten, einen Text von jemandem unter etwas anderen Bedingungen in einem Lokal vorzutragen und da haben sich dann doch halbwegs schnell ein paar Leute gefunden, was uns sehr gefreut hat. Wir haben die Veranstaltung dann zwei oder drei Wochen vorher online gestellt und dann hat sich alles irgendwie ein bisschen verselbstständigt…
Wie viel kabarettistischer und wie viel ernster, gesellschaftspolitischer Anspruch steckt hinter „Rapper lesen Rapper“?
Der Anspruch den wir an die Veranstaltung stellen ist eine Bühne zu schaffen auf der sowohl kabarettistischer als auch ernste, gesellschaftspolitischen Themen Platz finden. Wir versuchen neue Blickwinkel auf bereits Bekanntes, Vergessenes oder völlig Unerwartetes zu ermöglichen.
Wie lassen sich Rap und Lyrik vereinbaren – wo besteht vielleicht ein Unterschied?
Es geht weniger um das Vereinbaren als um das neu Erfahren. Kommerzielle Effekthascherei kann enttarnt, und Sozialkritik oder Schnittpunkte mit Lyrik erst eindeutig aufgezeigt werden.
Was kann Sprechgesang, wozu instrumentale Musik nicht im Stande ist?
Wenn man den Text von der Musik trennt, lenkt der Fokus auf das geschriebene Wort. So entsteht Freiraum für neue Lyrik, die in diesem unkonventionellen Rahmen erst zu ihrer inhaltlichen Höchstform auflaufen kann.
Die erste Veranstaltung kann man sicher als vollen Erfolg bezeichnen – die Anmeldungen für die zweite Edition sind ja ziemlich in die Höhe geschnellt. Wie zufrieden wart ihr denn selbst über den ersten Ablauf von „Rapper lesen Rapper“? Habt ihr damit gerechnet, dass es so gut funktioniert?
Wir waren extrem begeistert über den Zuspruch, den die Veranstaltung erhalten hat, zumal wir eigentlich dachten, dass da vielleicht 30 Leute daherkommen. Wir haben eigentlich nur ein Event online gestellt und ein paar Freunde eingeladen und auf einmal hat das Ding 200 Voranmeldungen und über 1000 Interessenten. In einer Zeit, in der sich die Leute mit FB Einladungen bombardieren, rechnet mit sowas irgendwie niemand. Das Ganze lief dann super, wir hatten zwar viel zu wenig Platz und mussten leider viele Leute nach Hause schicken, aber dem versuchen wir diesmal so gut wie möglich entgegenzuwirken.
Gibt es schon konkrete Pläne für die Zukunft?
In gewisser Weise zwingt einen Wien ja fast ein bisschen dazu vorauszudenken. Soviel wie in dieser Stadt passiert, kann man Veranstaltungen ja kaum spontan planen. Klar denken wir ein bisschen im Voraus, nach der Lesung am Donnerstag im WerkX-Eldorado soll zb. nächsten Monat ein kleines Special stattfinden, auf dem man einige Gesichter der internationalen Rap Szene sehen wird. Ungelogen.
Es kommen ja sicher nicht nur Hip Hop Heads – Wie schaut die Zielgruppe dieser Veranstaltung aus, welche Leute kommen so hin?
Das ist nach einer Veranstaltung ein bisschen schwer zu sagen. Es war eigentlich recht bunt gemischt, Freunde, einige bekannte Gesichter aus der Szene, genau wie ein paar Leute, die anscheinend über FM4 auf uns gestoßen sind. Danke an dieser Stelle nochmal an unser Publikum der ersten Edition, ihr wart der Wahnsinn. Und natürlich auch an Trishes, Phekt und Kristian Davidek, wir sind noch immer überwältigt von eurem Support.
Es gibt ja viele Projekte, besonders im Internet, die Hip Hop mit Literatur (Zb. Thug Notes) verbinden, was hat euch als Inspiration gedient?
Eine große Inspirationsquelle war sicher die Youtube Serie „Deutschrap neu interpretiert“ von den Leuten von „Kackspritze“ und auch das Promovideo zu Hiobs Instrumentalalbum von „Drama Konkret“. Da wurde definitiv etwas in unsere Köpfe geboren. Wir wollten das ganze dann eben auch mal live auf der Bühne sehen…
Wieviel Straße steckt in Reclam?
Steckt mehr Reclam in der Straße oder mehr Straße im Reclam? Wobei durch das Pocketformat sind sicher sehr viele kleine gelbe Bücher auf Wiens Straßen unterwegs. Hm. Auf jeden Fall genug, damit sie endlich eine Straßenedition machen und anfangen Xatar abzudrucken. Der Baba hat es verdient, wie so viele andere auch.
Hip Hop aus und in Österreich steht ja gerade hoch im Kurs – ihr beobachtet die Szene ja schon länger. Könnt ihr uns erzählen, wie ihr das alles gerade wahrnehmt?
Gute Frage, welche? Man merkt ja das gewisse Formen von Rap bereits in einer größeren Gesellschaftsschicht angekommen sind, einige entziehen sich dem aber auch, mitunter ja willentlich. Hip Hop ist und war ein großer Kochtopf, bei dem viele verschiedene Geschmäcker und Ansichten zusammenkommen, da fällt es schwer so pauschal zu urteilen. Wir freuen uns natürlich, dass momentan überall so viel weitergeht und österreichischer Rap auch vermehrt Platz in den heimischen Medien findet – es wurde aber auch ehrlich gesagt langsam mal Zeit. Es gibt verdammt viele gute Acts da draußen, die es verdient haben, dass ihre Arbeit Früchte trägt. Potential gibt es in Österreich sicherlich genug.
Was ist beim Übersetzen der Texte am schwierigsten? Kann man den Flow der Artists bei der Übersetzung rüberretten?
Das ist eine Frage, die ihr am besten unseren Acts stellen müsst. Wir lassen unsere Lesenden frei wählen, welchen Text sie vortragen, ob auf Deutsch, Englisch oder eine Übersetzung liegt bei ihnen. Der Flow bekommt durch das Lesen an Stelle des Rappens sowieso eine andere Form und es geht ja auch irgendwie darum, den gewohnten Duktus zu durchbrechen, um somit dem Text ein neues Gesicht zu geben.
Was wurde euch durch eure Übersetzungen über Rap klar, was ihr vorher vielleicht noch nicht so wahrgenommen habt?
Ob übersetzt wird bzw. die Wahl des Textes liegt beim geladenen Gast, wir kuratieren lediglich wer liest, nicht was gelesen wird. P.Tah hat beim ersten Mal ziemlich eindrucksvoll gezeigt, dass Reime sich sehr wohl ins Deutsche transportieren lassen ohne das Sinn verloren geht. Es ist wohl ein bisschen so wie bei der Übersetzung von anderen Literaturformen: man muss einen Mittelweg finden zwischen Erhalt des Originals und verständlicher Wortwahl.
Rapper lesen Rapper findet am Freitag, den 5. Mai 2017 im Brut in Wien statt.
*Dieser Artikel erschien bereits vor der zweiten Ausgabe und wurde um zusätzliche Fragen ergänzt.