Asap Rocky macht trotz Major-Label-Deal da weiter, wo er aufgehört hat. Harlem trifft Houston, Codein trifft Kokain – das offizielle Debüt-Album »Long Live Asap« untermauert den Hype. Asap Rocky denkt seinen Sound behutsam weiter und schielt mit einem Auge auf die große Pop-Bühne. HipHop hat einen neuen Kronprinzen.
»I will fuck you up!« brüllte ein entnervter Asap Rocky dem Publikum beim renommierten SXSW-Festival in Texas Mitte letzten Jahres entgegen. Jemand aus dem Zuschauerraum hatte ihm wiederholt volle Bierbecher entgegengeschleudert. »Turn the lights on, I wanna see that motherfucker!« flankierte einer seiner Crewmitglieder mit Skateboard im Anschlag die Worte des Neo-Stars. Einige beschwichtigende Sätze später kam die nächste Bierfontäne geflogen. Asap Rocky und seine Mitrapper rasteten aus, sprangen von der Bühne und schlugen um sich. Eine Massenschlägerei, hunderte Newsmeldungen und Tweets später, fand sich Asap Rocky im Mittelpunkt der SXSW-Presse wieder.
Nicht, dass der junge Musiker diese Publicity nötig gehabt hätte. Sein 2011 erschienenes erstes Mixtape »Live Love Asap« bescherte Rakim Mayers alias Asap Rocky einen kometenhaften Aufstieg, wie er jüngst nur Reimern wie Tyler, The Creator oder Kendrick Lamar zuteil wurde.
Husten, wir haben (k)ein Problem!
Noch bevor das erste Asap Rocky-Mixtape erschien, war sein Name bereits mit Hype durchtränkt. Schuld daran war das Video zu seinem Debüt-Track »Purple Swag«. Das Video, eine Ode an den Codein-geschwängerten Hustensaft-Drogen-Drink Syrup, wurde bereits vor dem Mixtape-Release mehrere hunderttausendmal angeklickt. Kein Wunder, denn der Track vermischt den tighten Harlem-Rap von Asap Rocky mit dem schlierigen Chopped & Screwed-Style aus Houston. Mittlerweile zählt der Clip bereits weit über 18 Millionen Aufrufe. Ein stilprägender Track, der nicht nur soundseitig, sondern auch style-technisch begeisterte und obendrein zeigte, wie zeitgeistig dieser Hustensaftkaiser unterwegs ist. Das Fundament war gelegt – ein von der Musikpresse hochgelobtes Mixtape und ein mehrere Seiten umfassendes Vice Magazine-Foto-Feature später, stand auch der aus Können und Hype gebaute Wolkenkratzer.
Rakim Mayers streifte im Handumdrehen drei Millionen Dollar Vorschuss von einem Major-Label ein. In Relation zu Gagen anderer HipHop-Big Player ist das obere Liga. Drake, seines Zeichens Chartstürmer 2011, bekam zwei. Die Kopfgeldjäger der Industrie waren sich sicher, dass Asap Rocky Amerikas nächster Rap-Superstar sein wird. Und obwohl »Long Live Asap« vergangenen Dezember ins Netz geleckt ist, ging es auf Nummer Eins.
Live Long And Prosper!
Asap Rocky polarisierte zwar bei den SXSW-Besuchern, macht es aber sonst erschreckender Weise fast allen recht. Allerdings, ohne sich dabei groß anzubiedern. Erstaunlich ebenfalls, dass sich viele Rap-Kollegen auf den Mann einigen können. Normalerweise haben Rapper, die in ihren Texten keinen Hehl aus ihren dicken Eiern machen, schnell Beef an der Backe. Bei Eierbär Asap Rocky blieb das, bis auf kleineres Gezanke mit Lil B und Spaceghostpurrp, fast zur Gänze aus. Das bereits ein halbes Jahr verschobene Debüt dürfte an diesem Konsens nicht viel ändern. »Long Live Asap« erfüllt die vom Hype um das Mixtape genährte Erwartungshaltung. Er bewahrt seinen speziellen Style. Kleine schlaue Upgrades inklusive. Auf die Hörgewohnheiten von Format-Radio-Konsumenten wird nur wenig Rücksicht genommen, obwohl Asaps Mixtur wohl ölig genug ist, um das ohne Probleme zu schlucken. Rohe Dirty South-Versatzstücke, oldschoolige Boom Bap-Beats, tighte Harlem-Rhymes, süße MPC-getriggerte Streicher und Piano-Parts und luftig angegeisterte Synth-Loops katapultieren ihn so weit nach vorne. Erfolg im Vorfeld gibt Musikern Freiheiten – und diese weiß Asap Rocky auf »Long Live Asap« zu nützen.
Scary Monsters And Nice Sprites
Dabei erhob die Stil-Polizei sofort den Zeigefinger, als bekannt wurde, dass sich ein Skrillex-Feature auf dem Album findet. Aber »Wild For The Night« besticht durch bleepige Lazer-Sounds, die mit monströsem Reverb über einen zurückgelehnten Reggae-Beat geschlunzt werden. Asap Rockys Rap harmoniert bestens damit. Es ist nur gerecht und verdient, wenn er damit die Tür ins Club-Universum aufstößt und ein neues Publikum erschließt. Im Gegensatz zu Kid Cudi, der es mit David Guetta machte und mit »Memories« einen der plattesten Clubtracks der letzten Jahre produzierte, griff Asap Rocky bei Skrillex nicht ins Klo.
Aber nicht nur EDM-Wichtel Skrillex steuert Beats und Sounds bei, auch Post-Step-HipHop-Wizards wie Clams Casino oder Hit Boy sind mit von der Partie und selbst Producer-Schwergewicht Danger Mouse gibt sich die Ehre und veredelt einen Track des Albums. Bei der Auswahl seiner Rap-Gäste trifft Rakim Mayers erwartungsgemäß auch ins Schwarze. Mit Kendrick Lamar, Action Bronson, Drake, Schoolboy Q, Joey Badass, Danny Brown, Big Krit, Yelawolf und 2Chainz ist alles dabei, was aktuell Rang und Namen hat und vor allem gut zu Asap Rocky passt.
Diese Liga der außergewöhnlichen Rap-Gentlemen steht irgendwie auch exemplarisch für eine neue Generation von Artists, die mit dafür verantwortlich sind, dass HipHop seit einiger Zeit wieder spannend und vor allem über die Szenen hinweg angesagt ist. Dass HipHop als großes Genre der 90er Jahre ein Revival erfahren würde, war absehbar, aber Acts wie Kendrick Lamar, Drake oder eben Asap Rocky sind dafür verantwortlich, dass sich Rap sonisch und ästhetisch weiterentwickelt hat und nicht nur G-Funk und New Jack Swing wiederaufgerollt werden. Gerade HipHop ist ein dankbares Genre, wenn es darum geht, Stile zu kreuzen. Der hatscherte Beat meistens unter 100 bpm, die Breaks und vor allem die Sample-Tradition laden regelrecht dazu ein, genreübergreifend zu arbeiten. Erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, bis das wieder aus seinem Ghetto aus Goldketten und Ärschen herauskam. Dabei gab es natürlich immer interessanten, erfolgreichen HipHop (Kanye, Big Boi, Clipse, Lupe Fiasco), aber eine lose Szene, neue Synths und Themen haben nun zur Folge, dass es wohlstandsverwahrlosten Weißbroten wieder leicht fällt, HipHop aufregend zu finden.
Am spannendsten ist »Long Live Asap« dann, wenn Rakim die Nähe von Pop-Acts wie Santigold oder Florence Welch von Florence & The Machine sucht. Florence harmoniert nur bedingt mit den wuchtigen Beats in »I Come Apart«, Santigolds Stimme hingegen fügt sich perfekt in die harschen Beats des sphärischen Tracks »Hell« ein und macht diesen zu einem der stärksten Stücke des Albums. Schade nur, dass das feine, in der geleakten Version noch enthaltene Feature mit Lana Del Rey nicht auf dem Album enthalten ist. Eigentlich bemerkenswert. wie es Asap Rocky schafft, mit Mainstream-Schergewichten in den Ring zu steigen. ohne dabei seine Underground-Credibility k.o. zu boxen. Seine Art zu Rappen ermöglicht es ihm, sich unaffektiert und natürlich jedem Setting anzupassen und spannende Aspekte aus ungewöhnlichen Konstellationen herauszukitzeln. So zwingend hat in letzter Zeit niemand Pop-Anleihen mit Street Style kombiniert.
»Über Sex kann man nur auf Englisch singen.«
Die von der Musikpresse teilweise kritisierte fehlende Tiefe der Lyrics, stört auf „Long Live Asap“ keineswegs. Auch wenn ihm der erzählerische Tiefgang eines Kendrick Lamars fehlt, beweist Asap Rocky doch in fast jedem Track, dass er ein verdammt guter Styler ist. Die Themen sind zwar mit Ruhm, Drogen, Mode und Bitches schnell zusammengefasst, aber seine Lines sind punktgenau gesetzt, flowen schön und machen vor allem Laune beim Hören. Sie fügen sich auch in ungewöhnliche Beatstrukturen grandios ein. Die konkreten Texte sind dabei gar nicht so von Bedeutung. Wenn man sich mit dem Umstand abgefunden hat, dass Asap Rocky weniger wortgewaltiger Rapper, sondern eher Regisseur eines eigenen spezifischen Style-Universums ist, machen die Lyrics plötzlich mehr Sinn und bar jeden schlechten Gewissens großen Spaß.
Das Album hat textlich sowie musikalisch kaum Längen. Es greift unzählige spannende Ästhetiken der letzten Jahre auf, verschmiert sie mit Asap Rockys Stil und übersetzt das in fesselnden, zeitgenössischen HipHop.
Wie heißt es beim Musik-Übermedium Pitchfork so treffend – »Best New Music«. Ja, das kann man definitiv so sagen.
»Long Live Asap« von Asap Rocky ist am 15. Jänner via Polo Grounds Music / RCA International / Sony erschienen.
Klaus Buchholz beschäftigt sich hier mit Asap Rocky, Cloud Rap und den österreichischen Folgen, namentlich Crack Ignaz.