Kinder spielen. Erwachsene tun das nicht mehr. So sind die Regeln. Und obwohl die Erwachsenen nur zuschauen, spielen sie trotzdem. Erwachsenenspiele halt. Doch diese Regeln sind ausgedacht. Deshalb spielen beim Wien-Modern-Konzert von Cikada im MAK die Erwachsenen mit den Kindern. Ein Spiel zum Spiel.

In fünfzig Kurzfilmen erzählt der belgische Künstler Francis Alÿs Geschichten, die zu Beginn so banal scheinen, als müsste man sie gar nicht erzählen. Sie handeln von Kindern beim Spielen. Kleine Menschen, die sich raffinierte und detailreiche Abfolgen ausdenken und diese mit einer umfassenden Zielstrebigkeit sowie Konzentration ausführen. Sie saugen ihre Umgebung auf, entwickeln aus ihr ein Spiel, mit Regeln, mit Anfang und – wie es wirkt – ohne Ende. Wer will sie stoppen? Sie erklimmen Berge, die im Vergleich beängstigend groß erscheinen, und wirken darauf wie winzige Tropfen, die ein kleiner Windstoß forttragen könnte. Alles für den kurzen Moment der Abfahrt. Sie singen zu Mosquitos, wie Wölfe zum Mond, als wären sie neidisch auf deren Freiheit. Als wollten sie auch gerne fliegen. Sie springen unermüdlich. Um sie herum ragen Betonbauten in die Höhe, machen die Kinder nicht kleiner, lassen vielmehr die Sonne noch mehr auf sie scheinen. Das ist alles andere als banal.
Das norwegische Ensemble Cikada untermalt diese Videoaufnahmen mit musikalischen Spielen, die nach den Regeln der vier Komponist*innen Angélica Castelló, Aleksandra Gryka, Kim Myhr sowie Pierre Slinckx ablaufen. So werden die Kinderspiele hörbar: Es erklingen die Leichtigkeit der jungen Menschen, die gleichzeitig wahnsinnig schwer wiegt; die sozioökonomischen Umstände, die das Spiel nicht stoppen, sondern vielmehr beflügeln; und auch die direkte Umgebung, denn vorbeifahrende Busse und Straßenbahnen werden Teil der Inszenierung.

Adults’ Games
Irgendwann kommt in jedem Leben zwangsläufig der Tag, an dem man das letzte Mal spielt – nämlich kindlich, frei und vor allem freiwillig. Das passiert von ganz allein. Wie freier Fall. Was hierbei verloren geht zeigt insbesondere Angélica Castelló in ihrer Komposition »Juglariceando«. Darin lädt sie das Ensemble nämlich dazu ein, es den Kindern nachzumachen. Ein Spiel zu spielen, buchstäblich. Dieses besteht aus fünfzehn Karten, mit einer Zeitangabe und einigen Instruktionen. Zudem bekommen alle Musiker*innen eine Box mit kleinen Objekten – inspiriert von den Utensilien der Kinder in den Filmen – die verwendet werden dürfen. Nach und nach wird eine Karte gezogen und losgespielt. Jede*r für sich und trotzdem irgendwie alle gemeinsam. Plötzlich sieht man die Murmeln nicht mehr nur auf der Leinwand, sondern kann sie durch den Raum fliegen hören. Genauso wie zahlreiche weitere Klänge, die so ein Spiel nun mal hervorbringt.
Castelló lässt das Ensemble spielen und spielt somit in gewisser Weise selbst. Denn bereits das Ausdenken der Regeln, ist ein Metaspiel. Dass nur Kinder spielen, ist eine Lüge. Man muss lediglich erkennen, dass man zu jeder Zeit und an jedem Ort selbst ein*e Spielende*r ist.
Die Ausstellung »Children’s Games« von Francis Alÿs war als Teil des Programms von Wien Modern von 30. Oktober bis 6. November 2025 im Mak Wien zu sehen. Das Konzert von Cikada fand ebendort am 3. November 2025 statt. Die gezeigten Kurzfilme können jederzeit kostenlos auf der Website von Francis Alÿs gesichtet werden.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit Wien Modern entstanden.