Das Popfest ist vorbei. Das Feedback war fast nur euphorisch. Thomas Weber und Stefan Niederwieser haben beim Popfest-Kurator Robert Rotifer per Mail nachgefragt, wie ihm das Festival-Debüt gefallen hat.
Wie zufrieden sind denn die Künstler mit ihren Auftritten am Popfest?
Das müsst ihr sie selbst fragen, aber danach zu schließen, was sie mir gesagt haben, haben die meisten es sehr genossen. Von Dorian Concept, dem es sichtlich Spaß gemacht hat, einmal außerhalb eines klar definierten elektronischen Kontexts zu spielen, bis zu Velojet, Neuschnee, Garish oder A Thousand Fuegos, die allesamt auf verschiedenen Bühnen unglaublich gelungene Auftritte gegeben haben. A Life A Song A Cigarette und Tanz Baby haben durch den Regen ihren Soundcheck versäumt, die Songs of Claire Madison hätten im Wien Museum gern das Licht abdrehen dürfen, und Karl von der Laokoongruppe hatte auch technische Kritikpunkte. Aber die überwältigende Publikumsreaktion hat das alles vergessen lassen.
Was waren die größten Schwächen der ersten Ausgabe des Popfests?
Die zu geringe Lautstärke, vor allem bedingt durch behördliche Auflagen und die Tatsache, dass wesentlich mehr Zuschauer gekommen sind, als wir uns je gedacht haben. Das aus denselben Gründen zustande gekommene Gedränge beim Eingang zu den Indoor-Locations. Und ja, die Seebühne war zu niedrig, aber übrigens höher als bei der Kunstzone 08, wo man mehr sehen konnte, weil einfach weniger Leute da waren.
Eine Einschätzung: Inwiefern glaubst du, dass die stärkere Präsenz der Künstler durch das Popfest diesen hilft?
Durch die Macht der Behauptung: Das ist Pop. Manche haben kritisiert, dass es ein Gratisfestival war, aber nur so kriegst du Leute dazu, sich was anzuhören, von dem sie sonst nie was gehört haben. Von Ginga zum Beispiel hat vor dem Popfest kaum wer geredet, jetzt sind sie völlig zurecht in aller Munde. Ihr Auftritt war sensationell, auch wenn davon in keiner der Rezensionen zu lesen war. Der Nino aus Wien hat mit seinem Auftritt vor großen Publikum in der öffentlichen Wahrnehmung auch einen Riesenschritt nach vorne gemacht. Bei Tanz Baby gibt es sowieso nur einen erklärbaren Grund, warum sie nicht den Pop-Mainstream beherrschen: Einen Mangel an Präsenz in der Öffentlichkeit. In unserer kleinen Blase, zu der ich FM4 und The Gap mit zähle, glaubt man vielleicht, dass diese Bands eh jeder kennt, aber das ist reiner Selbstbetrug.
Das Popfest hatte sehr großes Glück mit dem Wetter. Bei starkem Regen hätte die Technik Open-air-Auftritte auf der Seebühne eher verhindert. Was ist denn da für 2011 geplant?
Wir werden sehen. Wir wissen ja erst seit drei Tagen, dass es überhaupt eine Neuauflage geben wird. Mir hat der Anblick der Seebühne mit den Wolken im Hintergrund am ersten Tag jedenfalls auch Angst eingejagt. Aber schön ausgeschaut hat es schon. Ich wünsche mir ja ein gigantisches Schiebedach. Das klingt aber ziemlich teuer.
Wirst du persönlich weiterhin für das Popfest einstehen und versuchen das Festival auf Gemeindeebene voranzubringen oder liegt der Ball nun bei der Politik?
Du fragst den Falschen. Um das ein für alle Mal klarzustellen, weil ich ja auch Postings in diversen Foren lese: Ich hatte absolut gar nichts mit dem Aufstellen der Mittel zu tun. Ich weiß, die Leute bilden sich weiß der Himmel was ein, weil sie gehört haben, dass mein Vater vor langer Zeit einmal Politiker war (Ferdinand Lacina, Anmerkung der Redaktion). Aber ich hab mich aus genau diesem Grund mein ganzes erwachsenes Leben lang von allen politischen Prozessen ferngehalten, unter Pseudonym gearbeitet, hab das Land verlassen und bin immer Freelancer geblieben. Reicht das?
Den Herrn Stadtrat, der uns übrigens völlig frei arbeiten hat lassen, hab ich bei der Präsentation der Idee im Wien Museum Ende Jänner zum ersten Mal persönlich kennen gelernt, das nächste Mal bei der Programmpressekonferenz im April getroffen und dann wieder bei der Festeröffnung selbst. Außer seinem Pressesprecher kenn ich genau niemand bei der Gemeinde. Christoph Möderndorfer und Gaby Hegedüs von Karlsplatz.org haben, so wie sie das bei anderen Veranstaltungen genauso tun, alle Verhandlungen über Förderungen selbst geführt und werden das auch in Zukunft wieder tun. Sie sind die Veranstalter, ich war nur der von ihnen engagierte Programmkurator, der sich die Bands aussuchen durfte. Ihre Idee, mich zu kontaktieren, war von meiner im April 2009 erschienenen Falter-Kolumne über die Blüte des Wiener Pop inspiriert. Ich habe ein Kuratorenkonzept geschrieben, das sie der Stadt vorgelegt haben. Alle Parteien außer der FPÖ haben die Finanzierung im Gemeinderat abgesegnet. Auch davon hab ich aber auch erst erfahren, als es schon geschehen war. So war’s, von mir aus gab es keine Ballberührung. Alle gegenteiligen Eindrücke und Behauptungen sind pure Fantasie.
Hast du Anja Franziska Plaschgs persönliche Widmung kurz vor ihrem unangekündigten Duett mit dem Nino aus Wien (die ja als Soap & Skin offiziell wegen eher dubiosen Forderungen der Booking Agentur nicht aufgetreten ist) eher als kleine Wiedergutmachung oder eher als weitere Spitze gegen das Festival verstanden?
Ich weiß nicht, Nino weiß es auch nicht. Habt ihr sie gefragt? Mir ist es eher so vorgekommen, als sängen sie zu einander ‚It Ain’t Me, Babe‘ bzw. für das Publikum. Anja Plaschg war nach meinem Auftritt im Porgy Ende Jänner im Backstage-Raum und wir haben ziemlich lange über das Festival und ihren damals noch geplanten Auftritt geredet. Sie hatte Bedenken, vor Publikum aufzutreten, das nicht für sie bezahlt hat und ihr so möglicherweise feindlich gesinnt sein könnte. Das ist auch verständlich. Alle Künstler, die bei einem Gratis-Konzert auftreten, setzen sich dabei einem großen Druck aus, den man nur wirklich versteht, wenn man selbst auf die Bühne geht.
Es hieß dann, dass sie doch spielen wollte. Unseren Vorschlag, in der Kirche bei Eintritt aufzutreten, hat sie abgelehnt, weil sie – wie man es mir weitergegeben hat – keine Extrawurst kriegen wollte. Als dann der Vertrag kam, war er für uns leider wirklich nicht annehmbar, und die Agentur wollte nicht verhandeln. Das hat unser ganzes Programm mit einem Schlag durcheinander gebracht und uns gut ein Monat Planungszeit gekostet. Aber es ist trotzdem gut ausgegangen, und sie ist dann eben doch noch aufgetreten. Ich kann das nur positiv sehen.
Ist es nicht sinnvoll, das Popfest 2011 nicht als Konkurrenzveranstaltung zum NÖ Donaufestival anzusetzen? Die Publikumsschnittmenge ist dann doch nicht so klein.
Niemand will eine Konkurrenzveranstaltung zum Donaufestival machen, das sind auch wieder so Verschwörungstheorien. Als ich heuer diese Überschneidung bemerkt hab, war ich auch nicht froh, aber wir hatten keine Wahl, und um ehrlich zu sein, haben in Krems bis auf Ja, Panik und Mitgliedern von Gustavs Bands auch keine Acts gespielt, die wir buchen hätten wollen. Das Donaufestival ist ja auch nicht gerade auf heimische Bands als Headliner angelegt. Ich weiß nicht, wie groß die Schnittmenge wirklich war, aber ich finde es nicht unironisch, wenn die Leute sich mittlerweile darüber beschweren, dass ZUVIEL los ist in und um Wien. Schau einmal ins Timeout, da kannst du bei der Entscheidung jeden Abend Tränen verdrücken. So sollte es in Wien auch sein, oder?
Gibt es bereits Überlegungen zur weiteren Positionierung des Popfests? Zwischen Stadtfest, Gürtelnightwalk, Donauinselfest, Sound:frame und Donaukanaltreiben scheint der Spielraum auf den ersten Blick gering.
Genau so ist es (falls ihr mit Positionierung die Terminfrage gemeint habt). Die Festwochen, die auch mit einem Freiluftkonzert beginnen, hast du in deiner Aufzählung noch vergessen. Oder habt ihr nicht die Terminlage sondern die programmbezogene Zielrichtung gemeint? In dieser Hinsicht sehe ich schon ziemlich klare Unterschiede. Aber ich hoffe, dass wir nach dem ersten Festival mit seinem Grundsatzstatement, die Vielfalt des Pop in Wien darzustellen, beim zweiten Mal viel stärker in Richtung eines thematischen Leitfadens arbeiten werden können. Das ist aber alles nur meine persönliche Meinung. Zusammensetzen werden wir uns erst, wenn ich im Juni wieder in die Stadt komme.
Fotos vom Popfest:
Videos vom Abend: