The Crazy Never Die

Amerikanische Rebellen in der populären Kultur

Bittermann und die Brandstifter
Wilder Hund und Meinungsmacher zum Thema Literatur als Rock’n’Roll: Klaus Bittermann, Herausgeber der Edition Tiamat, hat sechs seiner Lieblingsrevoluzzer beschrieben. Trotz diversen Nostalgiefallen wird er der Anforderung gerecht.

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Auswahlkriterium war es laut Einleitung, nicht die »größten« Rebellen, sondern jene mit dem meisten Einfluss auf die Populärkultur bzw. diejenigen, deren Einfluss geringer gehandelt wird, als er ist, hervorzuheben. Dass der Autor damit eigentlich seine »Lieblingsrebellen« meint, sagt er zum Glück noch dazu. Dass das, was wir dann kriegen, nicht ganz dem so Vorgestellten entspricht – wer würde auch ernsthaft die kulturelle Bedeutung von Abbie Hoffmann, Hunter Thompson oder Kinky Friedman anzweifeln – macht nichts. Alle sechs biografischen Aufsätze – drei weitere behandeln Lenny Bruce, Robert Mitchum und Lester Bangs – bezeugen den selben produktiven Kernwiderspruch der Gesamtanlage des Bandes: Den zwischen methodischer Stringenz und Liebe zum Gegenstand. Sie bezeugen diesen Widerspruch auf der Ebene des Stils genauso wie auf der des mäandernden Aufbaus der Texte, ja sie stellen ihn geradezu aus. Genau deshalb, weil es sich selbst widerspricht, funktioniert das Buch aber und bereitet Lesevergnügen.

So gut die einzelnen Biografien recherchiert sind und so beharrlich Bittermann am Argumentieren von Thesen zu Leben, Werk und Wirkung seiner Helden festhält, so wenig sind dies die Alleinstellungsmerkmale von »The Crazy Never Die«. Materialsammlungen zum Leben von Lester Bangs oder literaturgeschichtliche Erwägungen zu Kinky Friedman gibt es im Halbdutzend. Alleinstellungsmerkmal des Bandes ist vielmehr, solche Sammlungen und Erwägungen zu bieten, dabei aber vor allem diese wohlbekannte, im Aussterben begriffene Schreibweise zur Anwendung zu bringen, die wir von Diederichsen, Theweleit und Wie-sie-alle-heißen kennen. Dieses Schreiben genau zwischen Biografie, Kritik, wissenschaftlicher Arbeit und Literatur eigenen Rechts.

Worum geht es dabei wirklich? Um individuelle Lebensläufe als Schauplatz von so etwas wie Geschichte, aufgezeichnet mit einer Liebe für bestimmte Leuten und dem, was sie – mehr oder minder irr, mehr oder minder autodestruktiv – sagen, tun, anstoßen konnten. Mit anderen Worten, um Nostalgie. Nun dient nostalgische Literatur meistens dazu, Geschichts- und also kritisches Bewusstsein mit sehnsuchtstriefendem Blödsinn zuzukleben. Hier aber trifft das Gegenteil zu: Ein Buch mit ein paar Spinnerbiografien macht Lust darauf, den unblöden, unprätentiösen Blick auf jemandes Leben und Werk selbst zu entwickeln.

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