Ein Ausstellungskatalog zur Industriemöbel-Designschau des Wiener MAK gibt einen Überblick über den Reichtum industriellen Einrichtens und Wohnens im post-industriellen Zeitalter.
Design ohne Designer: Für viele wäre das der Idealzustand. Schon Adolf Loos wetterte vor 100 Jahren gegen die angewandte Kunst und pries dagegen das schnörkellose Handwerk seines Sesseltischlers. Le Corbusier, der die Loos’schen Ideen – sehr zu dessen Missfallen – weiter entwickelte, gehörte bereits zu jenen Architekten der Moderne, die auch die »Ingenieurskunst« in den höchsten Tönen lobten. Er sah in der Monumentalarchitektur des Industriezeitalters das Vorbild für die zeitgemäße Wohnarchitektur. Fabrikhallen, Bahnhöfe oder Brücken waren für ihn die ehrliche Antwort auf die grauenhafte Formenvielfalt des Historismus oder den Hang zum Ornament beim Jugendstil. Analog zur Begeisterung für die Industriearchitektur entdeckten auch die Designer (Jean Prouvé, Marcel Breuer etc.) jene Materialien, die für den Wohnbereich zuvor Tabu waren: Stahlrohr etwa oder Stahlblech. Und sie verschrieben sich zum Teil einem scheinbar gnadenlosen Funktionalismus (Bauhaus), den sie in den anonymen Werksentwürfen vollkommen verwirklicht sahen. Das MAK zeigt nun in einer kleinen, von Sebastian Hackenschmidt kuratierten Ausstellung (bis 30. Oktober) eine Reihe von Industriemöbel, die großteils aus österreichischen Betrieben stammen. Sie werden als »Prototypen der Moderne« vorgestellt, wobei einige Exponate erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind. Das macht aber nichts, denn die Möbeltypen – Arbeitstische, Ablagen, Spinde, Hocker – gab es oft in der Form schon vor 100 Jahren und mehr. Sie bilden gleichsam die funktionalistische Essenz, die bei Bedarf auch angepasst werden kann: War ein Hocker zu klein, verlängerte man einfach die Beine. Lange Zeit wurden Industriemöbel gnadenlos ausgemustert, erst als man den ästhetischen Reiz von Lofts erkannte, begann man langsam auch die radikale Schlichtheit der Industriemöbel zu schätzen. Kurator Hackenschmidt vergleicht das mit alten Bauernmöbeln, die einst nichts wert waren und erst dann von Antiquitätenhändlern aufgekauft wurden. Heute demonstriert man eben mit möglichst abgenutzten Industriemöbeln Individualität, in Kombination mit einem Apple-Computer oder Jasper Morrison-Stühlen ergibt das eine schicke »Rau, aber doch kultiviert«-Optik für zuhause. Letztlich handelt es sich um einen augenfälligen Beweis, wie weit wir von der Kultur der Schwerindustrie entfernt leben. Die Ausstellung im MAK ist absolut sehenswert, doch erst der Katalog vermittelt den Reichtum und die Zusammenhänge eines Themas, das noch lange nicht erschöpft ist.