Atlas

Die Party ist zu Ende: Die Band, die mit neo-nostalgischen Beach-Hymnen als Mitbegründer des Chillwave fungierte, gräbt dem Genre ein feuchtes Grab.

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Die Party ist zu Ende: Die Strandjungs von Real Estate tauschen die Sonnencreme mit Wundcreme. Die Band, die mit neo-nostalgischen Beach-Hymnen wie “Younger Than Yesterday“ als Mitbegründer des Chillwave fungierte, gräbt dem Genre auf ihrem dritten Album “Atlas“ ein feuchtes Grab. Sinngemäß und titelgebend geht es hier nicht nur darum, eine neue Platte in den überlaufenden Musikmarkt zu hieven. “Atlas“ fordert vor allem eins ein – Positionierung. Das ernsthafte Anliegen, sich als Gruppe innerhalb einer bereits zu genüge topographierten Indie-Landschaft neu zu verorten, ist offen und bewusst hörbar.

Auch wenn sich der typische Real Estate-Sound in Aufbau und Struktur vordergründig kaum verändert hat, verfärben Stimmungen und Assoziationen die Tonalität: Der sonnendurchtränkte, eskapistische Strandpop ist einer melancholischen Wassermusik gewichen. Martin Courtneys juvenile Stimme und das hypnotische Gitarrenspiel von Matt Mondaline erinnern frappant an den zurückgelehnten Jangle-Pop der Byrds – inklusive deren Harmoniegesang. Abseits der Selbstfindung ist das zweite große Thema von “Atlas“ die Zeit – oder konkreter, der Moment, in dem diese abhanden zu kommen droht: "I’m just trying to make some sense of this before I lose another year," singt Courtney im Track "The Bend”. Der Weg ins Leben führt so durch den Umweg einer Jugend, die als Sollbruchstelle fürs Erwachsenendasein steht.

Spätestens wenn Real Estate in “Crime“ die Existenzangst packt – “Toss and turn all night, don‘t know how to make this right“ – geben sie dabei auch den Soundtrack zum Prekariat der Endzwanziger und Anfangdreißiger: Die Träume, die geträumt, aber nie gelebt wurden, holen einen einfach noch schmerzlicher ein, wenn man trotz drei Teilzeitjobs nicht so recht weiß, ob man nächstes Monat überhaupt noch die Miete bezahlen kann. “Atlas“ ist in diesem Sinn eine Spiegelung akuter Befindlichkeit, die trotz ihrer Subjektivität kollektiv wirkt. Die Teenage Angst ist existentiell geworden und sticht mit süßen Reverb-Filtern und Fischaugenlinsenakustik klar und deutlich ins Herz. Ob diese Formel die Platte in der musikgeschichtlichen Abhandlung zum Generationalbum macht, wird die Zeit zeigen. Fest steht, dass “Atlas“ das bis dato reifste, mitreißendste und zitierwürdigste Real Estate Album ist – und musikalisch zum Besten gehört, was das junge Jahr bisher zu bieten hat.

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