David Longstreth aus Brooklyn New York ist mit seinem Projekt Dirty Projectors nach ebenso seltsamen wie viel diskutierten Konzeptalben im Pop angekommen. Große Kunst in kurzen drei Minuten.
Mit Pop ist hier nicht gefälliges Formatradio-Gedudel gemeint, sondern die Kunst, ein Thema unter Aufbietung aller zur Verfügung stehenden Mittel in drei Minuten erschöpfend abzuhandeln, in sich schlüssig und formvollendet. Longstreth bietet mehr Mittel auf als die meisten Musiker, packt mehr Ideen in drei Minuten als andere in eine ganze Karriere. Damit lässt er sein Publikum erschöpft, aber glücklich zurück. Und stellt die Theoretiker vor eine neue Aufgabe.
Eine Rockoper zu Don Henleys Ehren und eine rein aus der Erinnerung gespeiste Neuinterpretation des Black Flag-Albums „Damaged“ gehen schon auf das Konto dieses Mannes. Black Flag im luftigen Folk-Mäntelchen und mit Querflöte! Für David Longstreth und seine Dirty Projectors würde es sich lohnen, ein eigenes Theoriekonstrukt zu entwickeln. Das Präfix „Post“ müsste auf jeden Fall im Namen vorkommen. Im Fliesstext viele Begriffe, denen „De-“ oder „Re-“ vorangestellt werden. Diese Musik raubt den Theoretikern genauso den Atem wie den unvoreingenommenen Hörern. Eine kaum zählbare Schar von Musikern hat sich schon dem kreativen Diktat des jungen Meisters untergeordnet. Er selbst hat Komposition studiert und weiß daher, wie Ideen am Reißbrett statt in demokratischen Kreativ-Sessions entworfen werden. Bei aller Vielfältigkeit ist „Bitte Ocra“ doch auch durch ein paar Konstanten geprägt. Zuerst wäre da mal eine sehr afrikanisch anmutende Art des Gitarrenspiels, dann die markante nasale, hohe Stimme des Masterminds und druckvolle Percussions, die selbst langsamere Songs durchziehen. Was jeden Song dann so besonders macht, sind die Verzierungen, die nicht nur im Einsatz vieler Instrumente – von Streichern, Bläser, Keyboard über Chöre – sondern schon in deren kompositorischen Grundstruktur liegen. Zu den vielschichtigen Arrangements und Strukturen kommt noch eine große Theatralik und Euphorie im Vortrag. Alles zusammen ergibt das dann gut gelaunte Pop-Musik, in der man sich einerseits sofort wohlfühlt, die einem andererseits aber den Atem raubt.