Wo die Wälder dunkel hallen: Das Debüt der slowenisch-österreischischen Experimental-Rocker BHC bringt den Winterfrost zurück in den Hochsommer.
Ein schemenhaft-kindlich gezeichneter Wolf mit Schlangenzunge blickt ins Leere, ein eigelber Mond blutet vom Himmel: Das rätselhafte Cover des selbstbetitelten Debütalbums von Broken Heart Collector lädt ein in die Twilight Zone. Experimental-Folkloristik, Spacerock, Hardcore, Freejazz und Elektroimprovisationen bilden den Soundtrack zur Selbstentgrenzung im dunklen Märchenwald. Die slowenisch-österreichische Band bricht dabei allerdings erfreulich frisch und unkonventionell mit Genre-Erwartungen. Wenig einladend wummern Broken Heart Collector zu Beginn dunkel, rauh und verletzt: Die Schönheit des Unheilvollen erschließt sich erst allmählich.
„I know what I want. I want to hear the sounds of trumpets rise“ singt die Vokalistin Maja Osojnik im elfminütigen Opener “Love Reclamation Song“. Der Track baut sich langsam und monolithisch auf, um plötzlich als noisige Klangmauer zu zerfallen. Das ambivalente Klanguniversum des balkanesk-krautrockigen Wiener Musikerkollektivs Bulbul stimmt da und dort ausufernd an. Doch die Weitläufigkeit ist kein Stilmittel, sondern Herzensangelegenheit: „Broken Heart Collector explains the ways how someone deliberately leaves his own, or the heart of somebody else lying behind and doesn’t find it anymore.“, so das Selbstbekenntnis der Band. Das Herz pocht dabei in einem facettenreichen Pool aus Post-Punk und klassischen Instrumentierungen. „Do not return without her heart, so I can feed it to my dog“, singt Osjonik in balladesk-jazzigen “Another Heart Bites The Dust“. Der Song ist ein elektrifzierter Schlund, aus dessen dunklen Höhlen Klarinetten und Schreie erklingen.
Die Fusion östlicher und westlicher Sounds, die freischwingend zwischen Klassik und Moderne schweben, geben keine Wohlklangs-Versprechungen. Broken Heart Collector reißen sich eindringlich, dramaturgisch intensiv und ernsthaft unkonventionell die Seele aus dem Leib. Es ist eine Musik, die nicht theatralisch, sondern Theater ist. Die Kippe zum Kitsch wird dabei fast immer charmant umgangen: Bevor die manchmal waghalsigen Freiklangfusionen zu sehr ins Wanken kommen, sammelt sich der musikalische Spannungsbogen konzentrisch um die dominierende Stimme der Vokalistin Maja Osojnik.
Die in Slowenien aufgewachsene und an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst graduierte Musikerin leiht der Gruppe mit ihrem Gesang das wohl prägnanteste Instrument der Platte: „This is how their hearts beat: Needing hours to brush their theeth or cook their meals or just to sit down“, singt Osojnik im hymnischen Album-Closer “Wolves“. Ihre osteuropäisch akzentuierten, mit glamouröser Melancholie vorgetragenen Verse erinnern an die fragile Schönheit von Nico. Es ist eine schaurig-schöne Stimme, die die Soundexperimente von Broken Heart Collector in eisige Höhen treibt. Kurzum: Die beste Winterplatte, die dieser Sommer zu bieten hat.