Auch wenn der November ans Fenster prallt: Elektronica, Ukulele, Glockenspiel und stimmlich entspannte Sinnlichkeit verwandeln Winterfrost in Frühlingstau.
“Chasing Atoms“, das Debüt der nach Wien exilierten Schweizerin Eloui, ist das interessanteste Stück Avantgarde-Pop, das mir in den letzten Monaten untergekommen ist. Die elf Songs des Albums sind perfekt durch-instrumentalisiert. Die Choreographie sitzt, die Stimme phrasiert die Worte mit eloquenter Stilsicherheit, klingt sanft und ausdrucksstark. Wenn Musik Chemie ist, ist “Chasing Atoms“ eine sehr stimmige Synthese aus Pop und Electronica, aus Air und Carla Bruni.
Zurückgezogen und teilweise etwas zu schöngefärbt, scheint Eloui durchaus zu wissen, welche Assoziationen sie im Hörer wecken will. Songs wie “End Of Chapter One“, “Owl On My Windowsill“, oder “24 Flowers A Day“ sind fast schon zu charmant, um wahr zu sein. “I was so confused to be part of this. I climb a pinetree to make myself disappear. The comforting voices are the ones I can not hear.“, singt Eloui in “Grass Stained“, dem wohl schönsten Track des Albums. Kindliche Naivität und Laszivität scheinen dabei wie aus von Frühlingstau benetzten Blättern hervorzuschielen, obwohl der November gerade unerbittlich kalt gegen das Fenster bläst. Sehr gelungen ist auch das brüchig-akustisch intonierte “Tornado“: “You leave, I leave, we leave. Now is the eye of our lifes tornado. Time is not on my side, time is my enemy.“, weiß Eloui in dringlicher Intensität zu intonieren. Ukulele, Glockenspiel und stimmlich entspannte Sinnlichkeit nehmen hier erstmals Überhand. Der völlig ohne Electronica-Gezirpe aufgenommene Song ist tief, leidend und leidenschaftlich – und wirkt dabei fast wie ein kleiner Stilbruch in einem ansonsten sehr glatt eingespielten Album. Auf einmal erinnert einen Eloui ganz, ganz stark an Joanna Newsom. Und das ist als großes Kompliment zu verstehen. Etwas weniger Schmeichel-Brei und etwas mehr brüchige Intensität, und diese Frau wird uns in Zukunft noch große Lieder bescheren.