Das Hausmädchen

Der diskrete Horror der Bourgeoisie


Im Sang-soos Neuauflage eines südkoreanischen Klassikers von 1960 ist eine radikale Inversion des Originals. Das stilisierte Melodram stellt das Gefälle zwischen Arm und Reich an den Pranger.

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Am Anfang steht Chaos. Die abrupte Eröffnung mit wackeliger Handkamera funktioniert als parabelhafter Prolog zu jener glatt polierten Welt, in die der Film kurz darauf umschlägt. Eine Frau steht am Rande des Abgrunds, während die Welt um sie herum seelenruhig ihren Lauf nimmt. Das Ende ist vorauszusehen. In Kim Ki-youngs Original von 1960 wurde eine Familie aus armen Verhältnissen von einer Femme fatale heimgesucht. 50 Jahre später ist es nun das Dienstmädchen, das der Korruption eines wohlhabenden Haushalts zum Opfer fällt. Die kindlich-naive Eun-yi (Jeon Do-yeon) fühlt sich in ihrer neuen Position als Hausmädchen sehr wohl. Ein guter Draht zur Tochter des Hauses ist schnell hergestellt und lässt Gefühle sprießen, die der Frau letztlich zum Verhängnis werden sollen. Der reiche Hausherr (Lee Jung-jae) ist daran gewöhnt, sich zu nehmen was er will, wann er will. Als seine bildschöne, mit Zwillingen hochschwangere Frau (Seo Woo) seinen sexuellen Ansprüchen eines Nachts nicht genügt, beginnt er ein Verhältnis mit der willigen Eun-yi. Hier gipfelt die Ästhetik der Dekadenz, die Lee Hyung Deoks Kameraführung in eindrucksvolle Bilder packt, in Hochglanzerotik: Schöne Menschen haben Sex in schönen Einstellungen.

Die potemkinsche Fassade der Familienidylle beginnt zu bröckeln, als sich eine aus der Affäre resultierende Schwangerschaft abzeichnet. Von nun an wird der Klassenkampf als bitterer Bitchfight ausgetragen. Die degenerierte Moral der reichen Hausherrin und ihrer konspirativen Mutter lässt sie vor nichts zurückschrecken, um den Schein des schönen Lebens zu wahren. Eun-yi muss indes um das Leben ihres Babys wie um ihre eigene Unversehrtheit kämpfen. Der Sozialthriller kommt letztlich vom Weg ab und kulminiert in einem bizarren Finale. Im Sang-soo setzt schließlich mit einem surrealen Epilog der eigentlichen Geschichte noch eins drauf. Schält man den Film aus seinem eleganten Bildgewand, bleibt ein behäbiges Drama mit oberflächlicher Figurenzeichnung und allerhand sozialem Unmut.

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