Delfinarium

Heimatlos und Spass dabei: Ernstzunehmende linke Tanzmusik aus dem Hause Audiolith, die dritte. Überzeugt trotz Befindlichkeitslyrik.

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Die politische Linke hat, was Dancefloor-Fragen angeht, ein Imageproblem. Sie gilt als humorlos, verkniffen und eher diskurs- denn tanzflächenorientiert. Das ist nicht ganz fair, denn auch Antideutsche und Marxististen feiern ab und zu ganz gerne. Im Booklet einer Rantanplan-Platte findet sich ein schöner Satz, quasi die Blaupause für progressive Tanzmusik aus diesem Spektrum: „Wenn die Revolution nicht tanzbar ist, sind wir nicht dabei.“ Dem Hamburger Label Audiolith ist es, vor allem mit seinem Flagschiff Egotronic, gelungen exakt das auf ein neues Level zu heben: Musik, die Politik mit dem Arsch versöhnt. Nun darf man zu Recht die Frage stellen, worin sich „Raven Gegen Deutschland“ vom ganz normalen Raven unterscheidet, wenn die Locations, die Bässe und die Drogen dieselben sind. Hedonismus ist eh cool, aber Stan drückt es in „South Park“ auf dem Hippiefestival treffend aus: „Is there anything more selfish than doing nothing but getting high and listening to music all day long?“. Es ist dieses grundlegende Attitüdeproblem, an dem auch „Delfinarium“ ein wenig krankt. Aber nicht falsch verstehen: Das dritte Frittenbude-Album ist gut. Ziemlich gut sogar. Und vor allem abwechlungsreich.

Das Rezept bleibt grundsätzlich dasselbe: Electropop bzw. auch mal Electropunk mit Sprechgesang, den man immer noch mögen muss um mit der Platte warm zu werden – Frank Spilker und Schorsch Kamerun lassen grüßen. Frittenbude klingen auf „Delfinarium“ mal nach den frühen Streets („Aufregende Farben“, „Innere Altmark), mal nach The Rapture („Heimatlos“), und natürlich schimmert Egotronic vor allem bei Electro-Brecher wie „Erlös dich von dem Schrott“ durch. Es gibt auch immer wieder leicht gitarrenlastige Tracks wie die Vorabsingle „Wings“. Aber gerade ein Track wie „Deutschland 500“ („Hallo Deutschland! Du fühlst dich immer noch so deutsch an!“) zeigt dann doch den Unterschied zu Bands wie den Goldenen Zitronen. Für die waren Kapitalismus und Deutschland noch Feinde, bei Frittenbude stören sie eher auf der Ebene der Befindlichkeiten. Wie ein Montagmorgen, an dem die Zahnpasta aus ist. Man kann dieses flaue Gefühl aber mit Spaß bekämpfen. Raven wegen Deutschland halt. Das beste Stück auf „Delfinarium“ ist „Zeitmaschinen Aus Müll“, das ruhig vor sich hin treibt wie einst Blumfelds „Verstärker“. Das Stück ist übrigens ein Abgesang auf die hedonistische, studentische Linke. Na bitte – da soll ihnen nochmal jemand Humorlosigkeit vorwerfen.

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