Die Asche meiner Schwester

Ein Roadmovie also. Der erste Satz nach dem Epilog: „Mutters Schatten wurde umso größer, als sie uns verließ.“

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Abwesenheit ist ein starkes Stilmittel in Travniceks Roman. Die Mutter ist nur als Leerstelle spürbar, die titelgebende Schwester wird ebenfalls mit Abstand betrachtet. Sowohl von der im Familiengefüge stärkeren und vielleicht deshalb meist den Kürzeren ziehenden Schwester, als auch von Joshua, der zweiten Erzählfigur, einem etwas verlorenen Sich-selbst-Finder, der die Schwester bei einem Hilfsprojekt irgendwo im Regenwald kennenlernt und aus der Ferne begehrt. Diese beiden Abschnitte leben von ihren Auslassungen und Andeutungen, sie könnten auch als unabhängige Kurzgeschichten funktionieren und vielleicht sind sie auch so entstanden. Egal, das Zusammenfügen zu einer Story im dritten und längsten Abschnitt funktioniert. Joshua und die Ich-Erzählerin lernen sich nach dem Tod der Schwester kennen und machen sich mit dem Auto auf den Weg quer durch Europa, um die Asche der Schwester auf einem Berg in Marokko zu verstreuen. Die Autorin nimmt sich Zeit, die Gedanken der Ich-Erzählerin minutiös zu verfolgen. Dabei ist sie oft witzig, auch wenn die vorbeiziehende Landschaft nicht greifbar wird und der Leser eher mit dem Finger auf der Landkarte reist. Auch die im zweiten Teil aufgebaute Männerfigur kommt der Autorin und damit den Lesern etwas abhanden. Joshua scheint wenig zu denken, zu sprechen oder zu handeln. Nur den Rücksitz bröselt der zugelaufene Begleiter voll. Schade, denn mit seiner Sichtweise auf den Trip, hätte man den Text akzentuieren und wie zu Beginn mit den Schatten der Figuren hinter dem Text arbeiten können. Trotzdem: Es gibt ohnehin zuwenig Female Road Movies. Also das Buch für die nächste längere Zugfahrt einpacken.

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