Die Münsteraner definieren auf ihrem Zweitwerk kontemporären Cold Wave neu, ohne dabei auf dessen Ahnen zu vergessen.
Am Titel der Vorabsingle „Neonlicht“ konnte man bereits erahnen, wohin der Weg der Gruppe Messer geht: Es wird trister, es wird industrieller. Produziert von Tobias Levin, dem derzeit beständigsten Geburtshelfer intellektueller deutschsprachiger Rockmusik – so ist er unter anderem Stammproduzent von Tocotronic und zeichnet sich auch für das neue Ja,-Panik-Album verantwortlich –, wurde „Die Unsichtbaren“ mit allen vier Musikern im Raum aufgenommen, was dem Album ein erhöhtes Maß an Homogenität und Hall beschert. Es erinnert reflexartig an flackernde Neonröhren, kalte Fabrikshallen und Schichtarbeit.
Im Gegensatz zur juvenilen, rachutesken Intensität, die noch große Teile des im Vorjahr erschienenen und hochgelobten ersten Albums „Im Schwindel“ bestimmte, macht es „Die Unsichtbaren“ fast unumgänglich, Bands aus den guten alten Zeiten des Cold-Wave bzw. Post-Punk in den Referenzkasten zu schlichten. Vor allem der erhöhten Präsenz der Rhythmusgruppe geschuldet, werden Assoziationen zu Joy Division und The Fall geweckt, wobei insbesondere beim Gesangsduktus große Gemeinsamkeiten mit Ian Curtis bestehen. Der Einfluss Max Müllers, dem Idol von Sänger, Songschreiber und Gestalter des Plattencovers Hendrik Otremba hat hingegen hörbar nachgelassen.
„Im Schwindel“ hatte Messer zu Lieblingen des Feuilleton gemacht, die zunehmende Vereinnahmung der Gruppe Messer in einen neo-intellektuellen Szenekontext, trifft bei den Protagonisten jedoch nicht unbedingt auf Gegenliebe. So richtet sich „Die kapieren nicht“ gegen die Koketterie ebenjener Subkultur: „Die ein großer Vogel über der Autobahn / Lässt er sich herab". Ein Song über Masturbation – „Das Versteck der Muräne“ – beweist, dass sie es mit der Ablehnung der Intellektualisierung ernst nehmen.
„Während ich nach der Vergangenheit grabe / Passiert so viel damit“ aus „Tollwut (Mit Schaum Vor Dem Mund)“ wird somit zum Credo der gesamten Platte: Musikalisch standen zwar die alten Helden Pate, die konkreten, zeitgenössischen Texte sorgen dennoch für eine Dringlichkeit und Zerrissenheit zwischen den Szenen und Lebensentwürfen, wie sie aktueller nicht sein könnten. Dadurch lässt die Gruppe Messer Post-Punk so modern klingen wie lange nicht mehr.