Schwedens Stimme
Auf ihrem Solo-Debüt entpuppt sich Karin Dreijer Andersson als die bessere Hälfte von The Knife.
Nachdem sich so ziemlich jede musikalischen Auszeichnung Schwedens in ihrem Trophäenschrank wiederfindet, haben sich The Knife auf eine Auszeit geeinigt. Obwohl das Bruder-Schwester-Duo schon immer als kongeniale Ausnahmeerscheinung galt, wagt nun Karin Dreijer Andersson als Fever Ray den erfolgreichen Schritt in die Eigenständigkeit.
Auf Papier und im journalistischen Denkspiel scheint es immer sehr schwierig, einem Künstler zuzugestehen, dass man nach einem Klassiker noch einmal mit einem anderen Projekt gleichermaßen überzeugen kann. Doch Karin Dreijer Andersson entpuppt sich als die bessere Hälfte von The Knife und löst sich komplett von vordergründigen Melodien und tanzbaren 4/4 Beats. Vielmehr baut sie bei ihrem Debüt-Album ein organisches Gebilde aus Soundschnipseln, ins Echo flüchtenden Drums und stets nur kurz angerissenen Themen auf. Diesmal steht ihr charakteristischer Gesang voll im Mittelpunkt und ist als einziges, immer wiederkehrendes Instrument allgegenwärtig. Und spätestens bei der Hälfte des Albums fühlt man sich, als würde man in Trance halbnackt durch den Schnee Skandinaviens rennen und niemals mehr nach Hause finden.
Obwohl man nach mehrmaligem Hören die Orientierung innerhalb des Albums verliert, gibt es doch herausragende Höhepunkte, an die man sich erinnert. Beim atmosphärischen Höhepunkt „ Now‘s The Only Time I Know“ betont Dreijer wieder einmal die Geschlechtslosigkeit ihrer Stimme und singt einen androgynen Kanon mit sich selbst. Danach hellt sich „Fever Ray“ ein wenig auf und lässt dem Hörer Platz, das Gehörte zu verarbeiten. Dazwischen drängen sich immer wieder leises Klicken, Chöre und sogar verzerrtes Möwengeschrei. In „Keep The Streets Empty For Me“ lässt sie dann die ganze Mystik der vorherigen Lieder in zurückgezogene Meditation einer verschreckten Stimme mit leiser Gitarre und wässrigen Drums zusammenfallen.
Dreijer gibt zu, dass es etwas extrem ist, wenn man nach zweimonatiger Musikpause ein fertiges Album im Kopf hat, wenn man doch eigentlich vor hatte, einmal Abstand von Allem zu gewinnen. Das hat doch schon damals nach ihrer „Honey Is Cool“-Phase nicht funktioniert und tut es diesmal eben auch nicht.
Dreijer braucht im Alleingang keine Award-Veranstaltungen in Gorillakostümen um zu beweisen, wie wenig ihr es um Aufmerksamkeit geht. Und Fever Ray ist viel mehr als ein zwanghafter Schritt in die Selbstständigkeit.