Explizit Selbstbewusst
Kevin Blechdom verbindet ihre hochemotionalen Texte auf „Gentlemania“ mit tendenziell glatten Klängen und büsst dabei doch nichts an Intensität ein.
Die in Berlin lebende Amerikanerin stand bisher für die unterhaltsame Verbindung von verspielter, experimenteller Elektronik und einem Hang zum alles Innere nach außen kehrenden Songwriting, das keinen Respekt vor Gefühlen hat – schon gar nicht vor den eigenen. Liebe in all ihren Facetten, Lust und Absurdes ergaben eine bewegende Mischung, die immer höchstgradig emotional und intensiv war. Auf der Tour zu ihrem letzten Album „Eat Your Heart Out“ nahm sie den Albumtitel wörtlich und präsentierte sich, wie auf dem Artwork, oben ohne und mit Tierinnereien belegt. Der klangliche Wahnsinn in Musik und Stimme bildeten dabei kein Gegenstück zu den auch manchmal sehr einfachen und direkten Texten, sondern erdeten diese auf höchst realistische Weise in einer unfassbaren, unbegreifbaren und oft wirren Gefühlsrealität.
Das ist auf „Gentlemania“ nun anders: Für das neue Album hat sich Kevin Blechdom von Mocky ein gefälliges Soundgewand aus Pop, Musical, Country und Cabaret zusammenbasteln lassen. Die Stücke sind nun leichter zugänglich, weniger verstörend und sicher näher an einem breiten Massengeschmack. Zum einen hat das damit zu tun, dass Kevin immer schon Fan von ausproduziertem Pop und Musical war – zum anderen erinnert sie damit an so manche ihrer großen Vorbilder. Gerade mit der sexuellen und emotionalen Offenheit und Explizitheit in den Texten vertritt Kevin Blechdom auch immer eine selbstbewusste weibliche Position, die so ausgeprägt im Popgeschäft – trotz Peaches, Pink und anderen – vergleichsweise selten zu finden ist. Und hier passt dann die Musik wieder zur Einstellung, wie sie selbst erklärt: „Nina Simone und andere Sängerinnen in Blues, Jazz und Cabaret waren schon immer große Vorbilder für mich. Sie waren sehr selbstbewusst und auch sie waren in ihren Texten streckenweise sehr explizit." „Gentlemania“ ist – besonders in den schnelleren Nummern wie „Lazy“ – ein gutgelauntes Popalbum mit traditionellem, klassischem Songwriting und ebensolcher Instrumentierung. Oberflächlich ist es deswegen aber noch lange nicht.