Der historisch negativ besetzte Begriff Elite passte (wie auch Leitkultur oder Nationalstolz) bis vor wenigen Jahren nicht in den demokratischen Wortschatz Deutschlands. Erst mit der steigenden Angst vor sozialem und wirtschaftlichem Abstieg wurde das Wort von rezeptlosen Politikern mit der Forderung nach neuen, vorbildhaften Eliten revitalisiert. Wer oder was aber ist heute Elite? Diese Frage […]
Der historisch negativ besetzte Begriff Elite passte (wie auch Leitkultur oder Nationalstolz) bis vor wenigen Jahren nicht in den demokratischen Wortschatz Deutschlands. Erst mit der steigenden Angst vor sozialem und wirtschaftlichem Abstieg wurde das Wort von rezeptlosen Politikern mit der Forderung nach neuen, vorbildhaften Eliten revitalisiert. Wer oder was aber ist heute Elite? Diese Frage stellte sich die Journalistin Julia Friedrichs, nachdem sie 2006 das Auswahlverfahren der Unternehmensberatung McKinsey überstand und dort die selbst ernannte Elite kennen lernte. Den Job (Einstiegsgehalt 67.000 Euro) schlug sie aus. Stattdessen schrieb sie einen Artikel für Die Zeit („McKinsey und ich“, 18.05.2006) und mit „Gestatten: Elite“ ein Buch über jene, die alles daran setzen, künftig zur Elite zu gehören. Wie Besuche in Kindergärten mit Englisch- und Chinesisch-Unterricht, bei Karriereberatern für Teenager, in Internaten (Schloss Neubeuern, Schloss Salem) und privaten Universitäten (European Business School, Elite Akademie, Otto Beisheim School of Management) zeigen, müssen Eltern, die ihren Kindern alle Wege ebnen wollen, tief in die Tasche greifen. Bis zu 300.000 Euro kostet ein durchgeplanter Elite-Lebensweg, der die Sprösslinge dafür aber direkt ins Netzwerk der Macht führt. Bei erfolgreichem Abschluss sorgen nicht nur der antrainierte Habitus, sondern auch Alumni-Bücher (Kontaktadressen früherer Absolventen) für den perfekten Einstieg in die 60 bis 100 Stunden Arbeitswoche bei der Wunsch-Unternehmensberatung. Was nun „Gestatten: Elite“, ein alles andere als wissenschaftliches Buch übrigens, dermaßen sympathisch macht ist, dass Friedrichs immer wieder ihren eigenen Karriereweg oder das Leben von Freunden mit der eben erst kennen gelernten Leistungselite vergleicht. Das Ergebnis ist ein Buch für die „Generation Praktikum“, die sich zwar fragt, was man im Bildungsweg vielleicht falsch gemacht hat, da der tolle Job und das große Geld ausbleiben, die aber trotzdem nicht nur für die Arbeit leben will. Das fehlende soziale Gewissen der Führungskräfte in spe, die Menschen in 38,5-Stunden-Arbeitsverhältnissen gerne mal als Minderleister bezeichnen, lassen aber trotzdem auf keine entspannte Zukunft hoffen.