Die Ankunft der Ich-Maschine
Jochen Distelmeyer hat sich frei gemacht und präsentiert eine Soloalbum, das weniger das Ende von Blumfeld als vielmehr den Beginn eines neuen Lebens markiert.
Schon die Berichte von Jochen Distelmeyers ersten Live-Auftritten ließen vermuten, dass er sich mit seinem Solo-Album „Heavy“ nicht gänzlich vom Erbe seiner früheren Band Blumfeld losgesagt hatte. Sowohl bei den Bühnenmusikern, als auch bei den vorgetragenen Liedern gab es offenbar Kontinuitäten. So klingen nun auch die einzelnen Songs von „Heavy“ nicht nach völlig neuartigen Sound-Konzepten. Überraschungen gibt es trotzdem und allesamt fallen sie positiv aus. Nach der Auflösung „der wohl stilprägendsten Band Deutschlands“ (so die Website von Jochen Distelmeyer) vor zwei Jahren war es vorerst still geworden um den Kopf und Sänger. Bis im Sommer 2009 dann ein neues Stück als Album-Kostprobe online ging. „Wohin mit dem Hass?“ – mit dröhnenden Gitarren und hämmerndem Schlagzeug wurde die Stille tosend aufgebrochen. Befreit aus dem Gruppengefüge schienen auch kraftvolle Energien frei geworden zu sein. Jenseits von jedem fand Jochen zum Verstärker und bediente ihn ungewohnt expressiv. Zu Recht wurden bereits Vergleiche zur artverwandten Band Kante und ihrem Album „Die Tiere sind unruhig“ gezogen und werden schließlich auf „Heavy“ von mindestens zwei der übrigen neun Songs („Hinter der Musik“ bzw. „Hiob“) bestätigt.
Doch neben diesen lustvollen Diskurs-Rock-Brettern finden sich auch jene klanglich klaren Lieder über die Liebe („Nur mit dir“ bzw. „Bleiben oder gehen“) wieder, die man von den Blumfeld-Alben „Old Nobody“ oder „Testament der Angst“ her kannte. Bei der Produktion wurde erneut auf puristische Arrangements gesetzt. Zudem klingt Distelmeyer unbeschwerter. Er spielt mit seiner Stimme und nimmt sich genug Zeit, um seine musikalischen Ideen auszudrücken. Auch das vermittelt Eigenständigkeit und Unabhängigkeit, für diese aber wohl auch die helfenden Hände von Produzent Andreas Herbig (Deichkind, Udo Lindenberg) und die der neuen Mitwirkenden (u.a. von Bands wie Jeans Team oder Schrottgrenze) verantwortlich sind. Ihnen allen ist ein Album gelungen, das die Auflösung von Blumfeld nicht mehr als Verlust erscheinen lässt, sondern Jochen Distelmeyer, den Mann großer Worte und Träume, als konsequenten Nachlassverwalter etabliert und ihm damit einen weiteren Höhepunkt seiner Karriere beschert. Die Ich-Maschine ist angekommen und schöpft auf halbem Weg neuerliche Kraft für die nächsten Schritte.