Der Ausbruch einer Frau aus dem sogenannten goldenen Käfig steht im Mittelpunkt des gefühlsintensiven Dramas von »I Am Love«. Ein Film wie gemacht für die Ausnahmekünstlerin Tilda Swinton, in einer Szenerie, die durch ihre Geradlinigkeit überzeugt.
Mitten in Mailand lebt Emma als Frau des Oberhauptes des Rechi-Clans, einer der vermögendsten Familien der Stadt. Zu ihren beiden erwachsenen Kindern hat sie eine scheinbar innige Beziehung, die aber durch das steife Leben in der Rechi-Villa stark beeinträchtigt wird. Als sie den jungen Koch Antonio kennenlernt, verführt sie dieser mit seinen Kochkünsten und zeigt ihr eine andere Welt außerhalb des herrschaftlichen Stadtlebens. Die Treffen mit ihm sowie ein herber Schicksalsschlag lassen Emma das Interesse für sich selbst wiederfinden, um so ihrem prunkvollen Gefängnis zu entfliehen.
Die Melodramen-Formel von der sinnlichen Emanzipation der einkorsettierten Hausfrau gestaltet Guadagnino in sehr klaren Formen aber auch mittels Farben plastisch durch. Ihre Wandlung vollzieht sich in einer Inszenierung mit viel Liebe zum Detail, die jedoch nie ihr Ziel aus den Augen verliert oder sich zu tief in Nebenstränge verirrt. Tilda Swinton vollführt in »I Am Love« eine ihrer leidenschaftlichsten, undistanziertesten Darstellungen. Die wohl tatsächlich als einzigartiges Phänomen zu bezeichnende Schauspielerin überzeugt nicht nur durch ihr glaubwürdiges Spiel einer Wandlung, sondern vor allem durch die spürbar vollständige Hingabe an ihre Rolle. Die Figur der Emma legt sie erst bewusst ruhig an, um dann ihre Wandlung umso intensiver zu vollziehen. Mit einfachen aber wirkungsvollen Stilmitteln – pointiert eingesetzten Musikkompositionen des Post-Minimalisten John Adams sowie perfekt eingefangenen Szenerien vor allem in der ländlichen Region der Lombardei – versetzt einen »I Am Love« in eine Welt voller Gegensätze zwischen unglaublicher Statik und feiner Leichtigkeit. Ein Muss für Swinton-Fans sowieso.