“I am a god damned believer“: Stimmgewaltiger Doom-Soul zwischen Religiosität und Rebellion.
Soll man Musik daran messen wie innovativ sie ist – oder doch daran, wie sehr sie in Gehör und Herz eindringt. Bei Ersterem müsste man die kanadische Band Cold Specks beharrlich ignorieren. Ihr Debüt “I Predict A Graceful Expulsion“ ist wie eine Kaleidoskop-Schau in die Vergangenheit. Ihre Songs liegen im schwarzamerikanischen Blues und Soul genauso stark verankert wie in der idealistischen New Age-Folkästhetik der späten Sechziger. “I am a god damned believer“, singt Frontfrau Al Spx auf der Single “Blank Maps“, und meint das verdammt ernst. Das Lied ist wie eine Brücke, hinter deren Enden Religion und Rebellion lauern – in einem Album, das als Bühne dient, auf der die beiden Pole immer wieder zusammenstoßen: Das Hymnische liegt irgendwo im Himmlischen verborgen. Der Soul ist allerdings nicht immer vom heiligen Geist beseelt.
Warum Cold Specks ihre Musik als “Doom Soul“ bezeichnen, wird auf Tracks wie “The Mask“ oder “Elephant Hand“ deutlich: Die agnostischen Kapitel des Albums geben sich als brüchiger, spröder Folk, der mehr an Beth Gibbons denn an Soul-Diven wie Mahalia Jackson erinnert. Wenn Spx in Tracks wie “Winter Solstice“, “Holland“ oder „“Send Your Youth“ den Gospel fast ganz ablegt, verschiebt sich die Wahrnehmung auf traditionelle Folk-Bausteine: Die Band spielt weltlicher, zelebriert dabei alt eingediente Auflehnungs- und Freiheitsgestiken und untermauert diese mit allzu intentionaler Protestsong-Poetik. Die dabei entstehende Nostalgie gibt sich nicht einmal die Mühe, retro-kontemporär zu wirken. Das diese Musik 2012 dennoch unverschämt begeistern kann, ist vor allem der Stimme von der 23-jährigen Al Spx zu verdanken. Ihr tiefer, rauer und klarer Vibrato geht durch Mark und Bein, ist voller Seele und füllt den Raum. Country-Gitarren, Cello, Saxophon und ein sich hymnisch hochschaukelndes Schlagzeugspiel geben der Stimme den nötigen Spielraum, um sich von engmaschigen musikalischen Landkarten abzugrenzen. Al Spx singt den Blues, als ob er für sie geschaffen worden wäre. Die Gospel, Blues und Folk-Elemente erfinden das Rad nicht neu, fügen den Songs aber vielschichtige Schattierungen zu, die “I Predict A Graceful Expulsion“ zu einem lohnenswerten Debüt erheben.