Hi-NRG-Dub: kompromisslos, rebellisch und groovy
„Ein heftig tiefer Bass ist kompromisslos und rebellisch,“ sagt Paul Zasky von Dubblestandart. Und von solchen Basslines hat die Wiener Dub-Crew eine ganze Reihe auf ihr aktuelles Album „Immigration Dub“ gepackt.
„Ich hinterfrage bestehende Systeme und Strukturen. Ich schaffe offene und flexible Soundwelten, die live anders klingen als auf Platte, die auf das Publikum reagieren, die die Phantasie des Publikums beschäftigen,“ erklärt Paul die Sound-Philosophie des österreichischen Quartetts, dessen Platten man seine Herkunft so dermaßen wenig anhört, wie kaum einer anderen alpenländischen Produktion. Das hat im vorliegenden Fall wohl mit aufwändiger Studio-Frickelei auf exotischer Hardware, mit reger Reisetätigkeit und mit jahrelanger Erfahrung zu tun: Die erste nicht US-, UK- oder Jamaican-Dub-Production, die auch veröffentlicht wurde, stammt von DS. Rootscontroller 1991: „Front Of Enemies“ mit Mikey Kodak/Rebel Radio und später „Vienna Dub Melange“ auf Suga B’s Silly-Solid-Swound-Park-Label – in den über eineinhalb Dekaden hat die Band ihren Sound gewaltig verfeinert. „Immigration Dub“ lebt nicht einmal ansatzweise von Reggaeseligkeit und falsch verstandenem Kulturtransfer – mit ihrem Hi-NRG-Dub-Sound geben Dubblestandart einem urbanen Lebensgefühl mit einer Feinfühligkeit und Inspiration Ausdruck, die an die Produktionen großer Namen wie Lee Perry und King Tubby locker heranreicht.
Die Herangehensweise der Band kann man dabei durchwegs als klassisch bezeichnen: „Wir nehmen alles in Live Sessions auf, real drum, bass, guit, keys – danach nehmen Robbie und ich die Tracks her, editieren, machen Overdubs, laden gegebenenfalls Gäste für Vocalaufnahmen ein. Robbie bearbeitet vieles dann noch einmal mit teilweise 30 Jahre altem Elektronik-Equipment, damit das alles so klingt, wie es soll. Dazu gehört auch eine der wenigen fetten 2inch-Bandmaschinen, die er sein eigen nennt, wo wir die ganze Produktion noch einmal analogisieren.“ Das Resultat ist für Paul keineswegs bloßer Lifestyle: „Derzeit geht der Trend wieder zur Wahrhaftigkeit zurück. Da elektronisches Equipment mittlerweile leicht zu beschaffen ist, wirkt vieles stereotyp und nicht sehr eigenständig. Heute findest du dafür 18-Jährige, die sich 200-Gramm-LeePerry-Vinyls aus dem Jahr 1972 kaufen, weil dort ein nicht nachzuvollziehender Sound drauf ist. Original Dub ist nicht nur einfach Experimentieren mit Klängen, sondern politischer Ausdruck.“
Highlights inter pares: die Dub-Ballade „When I fall in love“ feat. Ken Boothe, der übrigens das Original von Boy Georges „Do you really wanna hurt me“ schrieb, „Tiny little place called earth“ und „Wadada“ feat. Prince far I & Truman Chewstick. Diese Tunes schrauben sich gleich beim ersten Anhören ins Ohr, sollten allerdings nicht über die subtilen Hitqualitäten des Rests hinwegtäuschen. Kurz gesagt: „Immigration Dub“ gehört in jede gut sortierte Dub-Sammlung.