Kiss Each Other Clean

Soft-Hit-Sammlung
Iron & Wine sammelt diesmal ungeahnt eingängige und zwingende Nummern – die am Stück genossen aber schon mal nerven können.

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Gibt es einen Kolumnisten, der nicht irgendwann einen Text als Sammlung verschiedener nicht benützter Textanfänge veröffentlichte? Sam Beam aka Iron & Wine tut das auf gewisse Weise im großartigen Opener »Walking Far From Home« auf seinem neuen Album »Kiss Each Other Clean«. Was für ein Hit! Die Nummer fräst sich hymnisch in die Gehörgänge – verweigert aber den Höhepunkt. Und doch war Sam Beam bisher nie so eingängig und pop-affin wie auf diesem Album. Schon mit dem Vorgänger »The Sheperd’s Dog« schien er sich 2007 von seiner Klischee-Nische (Waldschrat-Bartträger und Songwriter der Will Oldham-Schule) befreien zu wollen. Mit dem neuen Album gelingt dies mit Leichtigkeit. Und eben diese Leichtigkeit ist eines der musikalischen Grundthemen des Albums. Keine Nummer die aneckt, die nicht leichtfüßig und sanft zum Mitgehen bewegt. Die Instrumentierung wurde breiter (siehe Wilco, die aber immer ein bisschen ernster bleiben) und je nach Lesart lassen sich hier afrikanische Versatzstücke, diverse Spielarten von Jazz (Saxofon), Gospel und Indierock oder aber auch einfach 70er-Soft-Rock (Saxofon) erkennen. Gut so, denn dass eben dieser ein reichhaltiger Fundus ist, haben in den letzten Jahren schon Gonzales oder die genialen My Morning Jacket bewiesen. Alles ist weich, einlullend, manchmal vielleicht ein wenig süßlich.

Melodiemäßig greift »Rabbit Will Run« den Opener – wohlwollend gesehen –wieder auf. Zum Abschluss gibt sich »Your Fake Name Is Good Enough For Me« erwartungsgemäß leicht episch. Textlich bewegt sich Sam Beam wieder einmal in Bildern, die zwar Atmosphäre erzeugen, in ihrer kryptischen Nicht-Auflösung und verweigerten Narrativität aber genauso als belanglos bezeichnet werden können. Viele Nummern überzeugen, begeistern und funktionieren garantiert auch im Radio (zumindest auf FM4), aber als Album enttäuscht »Kiss Each Other Clean« ein wenig. Alles ist schön, gut, immer wieder hörenswert – aber mitunter auch offensichtlich substanzlos. Die großartigen Melodien funktionieren auf Dauer als eingestreute Tracks zwischen anderen einfach besser als auf einen Haufen geworfen. Iron & Wine wird mit diesem Album hoffentlich breiter als bisher Anerkennung finden und wir werden viele Stücke noch Jahre immer wieder gerne hören. Nur eben nicht im ganzen Album-Durchlauf, in dem die einlullende und zwingende Sanftheit einen auch schon mal genervt auf den Pause-Knopf drücken lässt.

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