Deichkind sei Dank
Radikalhumor zu Techno-Beats. Das Hamburger Kollektiv HGich. T schaffen mit alten Schmähs neue Provokationen. In Dosen genossen ziemlich lustig.
Kennt man sich wieder einmal nicht aus, was der ganze /Schas/ jetzt eigentlich soll, ist es irgendwie ratsam, erstens nachzusehen, zweitens nachzufragen, und drittens darüber dann ein wenig nach zu denken. Das hülfe prinzipiell auch beim Hamburger Kollektiv HGichT und fängt mit eher simplen Fragen an. Wie spricht man die aus? Was bedeutet der Name? Wie viele sind das? Was machen die sonst noch? Wo hört Kindergeburtstag auf und fängt Avantgarde an? Auf was zielt es? Ist das überhaupt lustig? Und dann noch mal: Was soll der ganze /Schas/ überhaupt?
Definitiv kann die Sache mit der Aussprache beantwortet werden: /ha-ge-ich-te/. Beim Rest fängt das ganze strategische Verwirrspiel, das Kunstkonzept dann an. Angeblich soll der Name für „Heute geh ich tot“ stehen, warum steht nirgends, vom grammatikalisch, syntaktischen Standpunkt ist es jedenfalls schon einmal radikal. Irgendwie sind die Hamburger zu viert, auf ihrer HP sind allerdings 16 Mitglieder und ein Ex-Mitglied geführt. Auf Konzert-Bühnen oder auch bei Performances in Off-Theatern ist man deshalb oft zu mehrt und macht dort eine richtige Sause mit viel Techno, Beats, Publikumskontakt und allerhand eindeutigen Gesten. Das kann heute noch immer schocken, ist aber auch – Deichkind sei Dank – ziemlich massentauglich geworden. Hedonismus-Kritik hedonistisch inszeniert. Mitunter so dämlich und so daneben, dass es einfach nicht mehr anders gesehen werden kann, als radikale Kulturkritik durch offensichtlich abgefeierten Nonsens und Wahnsinn. Ein Schmäh, der jetzt nicht unbedingt gerade der frischeste ist (Dada), aber bestens auch im neuen Medienzeitalter funktioniert. Über eine Million Zugriffe bei YouTube aufs Video zu „Tutenchamun“ sind nicht schlecht. Vor allem wenn man trotzdem undefinierbar bleibt, sich entzieht. Ebenfalls nicht schlecht: Dekonstruktion destruktiv serviert schafft Komik. Das klappt bei HGich. T prima über holpernde, zurückgenommene, stumpfe Beats und ihre Textzeichen. Diese Idee ist jetzt zwar auch nicht ganz neu, aber effektiv, wenn es heißt: „Künstlerschweine, Künstlerschweine, ja ich breche euch die Beine“ und sich dabei eine tragisch Liaison zweier Landeier in Berlin abzeichnet. „Performancekunst / die letzte Bahn / nutz die Gunst der Stunde / wirf dich vor die Bahn“.
Der Humor-Holzhammer funktioniert jedenfalls super, etwa wenn auf All-Time-Klassiker wie Harz IV-Empfänger („Harz For“) und das Bildungssystem („Hauptschuhle“) hingelangt wird, man beherrscht aber trotz allem auch die Kunst, leise Zwischentöne laut zu servieren. Wer’s nicht glaubt höre „Franz Kafka“ – das ist fast ein bisschen so, als würde Liesl Karlstadt mit Heinz Strunk ein sexuelles Rollenspiel machen, bei dem jeder der andere sein möchte. Wenn man die Platte nicht in einem Mal durchhören muss: