Dass ungestört mit dem Bus fahren nicht überall eine Selbstverständlichkeit ist, zeigt Mohamed Diabs »Kairo 678«. Hingegen durchaus eine Alltäglichkeit: sexuelle Belästigung.
Das Regiedebüt eines der bekanntesten Drehbuchautoren Ägyptens entpuppt sich als aufgeschlossenes Episodendrama. Drei Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stehen im Fokus des Films. Sie sind keine Ausnahmen, sondern stehen vielmehr exemplarisch dafür, dass sexuelle Übergriffe Frauen und Mädchen aller Gruppen betreffen. Im Autobus ist Fayza (dargestellt von Boshra Parwani, Multi-Star der arabischen Welt und Produzentin des Films) tagtäglich Opfer des »Zitronentests«: Mit der Frucht in der Hosentasche tastet sich der Mann im überfüllten Bus an eine Frau von hinten heran. Im seltenen Fall einer Reaktion kommt das Obst-Alibi zum Tragen. Ansonsten folgt ein intimer Übergriff. Es geht um das Ausbrechen aus der Schockstarre, um gezieltes Agieren. Die Frauen wählen jeweils ihre individuellen Verteidigungswaffen: Während Fayza das Messer zieht, zieht Nelly (Nahed El Sebaï) vor Gericht – als erste Frau in der Geschichte des Landes. Prekär: Beide Taten werden auf ähnliche Weise dämonisiert.
Retrospektiv stuft Regisseur Diab die Notwendigkeit einer Revolution beim Betrachten seines Films, der vor dem Arabischen Frühling gedreht wurde, als relativ offensichtlich ein. Der Film zeigt realistisch und einfühlsam die Situationen der Frauen in all ihrer Vielschichtigkeit. Weiters stellt er Folgendes ein für alle mal klar: Sexuelle Belästigung hängt nicht ursächlich mit der Kleidung der Frau zusammen. Betroffen sind selbst Hijab-Trägerinnen. Das und vieles mehr kann sich die Welt nun hinter die Ohren schreiben. Mohamed Diabs These ist: Die Frauen werden Siegerinnen sein. So repräsentiert der Film nicht nur ein positives Frauenbild geprägt von Selbstbestimmung und Stärke, sondern endet auch mit einer hoffnungsvollen Note. The times they are a-changin‘ und was die Welt braucht sind mehr Männer wie Diab, die bereit sind, die Scheuklappen abzulegen.