Rebellieren gegen die Vergänglichkeit
Wer möchte schon einen One Night Stand auf sein ganzes Leben ausdehnen? Hot Chip tun genau das und stülpen damit einen neuen Romantikbegriff über die Kurzlebigkeit unserer Disco-Bekanntschaften und verhelfen zum gemütlich ehrlichen Dancefloor-Exzess.
Die Disco-Rebellen mit den komischen Brillen und den nerdigen Outfits zeigen mal wieder jedem, dass einem auch nach drei Studioalben, auspowernden Touren rund um den Globus und diversen Produktionen für andere Künstler die guten Ideen noch lange nicht ausgehen müssen. Man hat viel Zeit mit Freunden und Familie verbracht, verraten Hot Chip im Telefon-Interview, um zu neuer Kraft und Inspiration zu gelangen, mal runterzukommen von dem abgehobenen Star-Dasein und dem Riesenrummel rund um die Band. Man hat sich wieder auf den DIY-Stil früherer Releases besonnen und in einem kleineren Studio aufgenommen und herumgebastelt. Dennoch wurden die Tracks aufpoliert und elegant produziert. Hot Chip kratzen mit ihrem neuen Album „One Life Stand“ an der Oberfläche des Gewohnten im Pop und reizen ihre Möglichkeiten im Songwriting ganz aus. Reduzierter und romantischer ist es geworden, beinahe vorsichtig, weg von Konsenskrachern wie „Ready For The Floor“ und hin zu liebevoll arrangierten, teilweise sehr melancholischen Balladen. Doch immer unverkennbar beflügelt von Alexis Taylors genialen Gesangsmelodien und Stimme, der gemeinsam mit Produzent und Bandkollegen Joe Gibbard immer noch hauptsächlich für die Soundtüfteleien verantwortlich ist.
Der titelgebende Track, der sich am stärksten an den Vorgängeralben orientiert und sich somit auch als die charakteristischste Hot Chip-Nummer auf der neuen Platte in die oberen Gefilde der internationalen Charts katapultieren wird, bleibt jedoch ein Ausreißer. Unerwartete Rhythmen und Wendungen in den Songs halten die Soundgefüge stets abwechslungsreich und bieten viel Platz, um unterschiedlichste Stile auszuprobieren. Dancehall-, Eurodisko-, aber auch Souleinflüsse sind klar erkennbar. Variation und Diversität sind Themen, auf denen „One Life Stand“ sicherlich aufbaut, dennoch oder gerade deshalb ist die Platte auch so schlüssig. Die Weiterführung einer gewissen Ehrlichkeit in der Musik wird zum Konzept, nichts klingt gewollt oder angestrengt, alles passiert und fließt ganz selbstverständlich. Vergängliche, austauschbare Tracks haben hier nichts mehr zu suchen. „One Life Stand“ steht für musikalische Schwärmerei, für einen Sound, der sich in das Musikgedächtnis heilloser Romantiker einbrennt und schon jetzt mehr bedeutet als nur kurzfristigen Zeitvertreib.