Paranoid Park

Teleportland

Gus Van Sant ist ein Auskenner in Sachen Jugendkultur. Sein neuer Film „Paranoid Park“ kommt Blake Nelsons Romanvorlage mit Bildanmut und Seelenausmessung bei und erzählt vom Skaten gegen die Buben-Malaise.

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Alex (Gabe Nevins) hockt auf dem Polstersessel und drückt mit seinem Bleistift das Wort „Paranoid Park“ auf das Papier seines Notizheftes. Aus dem linken Bildrand heraus erkundigt sich sein Onkel nach den Dingen: seine alltäglichen Stehsätze markieren schon früh in Van Sants Film die Unvereinbarkeit zweier Generationswelten. Als Leitmotiv bestimmt dieses Aneinander-Vorbei-Leben von Heranwachsenden und Erwachsenen die Erzählung, ist aber weder kulturpessimistisch noch anklagend gemeint, sondern drückt eine Begebenheit aus, die von einer Vielzahl an Faktoren geformt wird. Im Kino von Gus Van Sant ist das Gegenwärtige eine virtuos in Szene gesetzte Schablone: Stricher (My Own Private Idaho), Amokläufer (Elephant) und Ikonen (Last Days) werden zu Hauptdarstellern von tragischen Texten. Der Regisseur aus Portland in Oregon nimmt – gar nicht weit vom Modus des Pop-Artisten entfernt – Teilchen der Populärkultur und reformuliert sie in Filme, die neue Zusammenhänge anbieten, filmische Wahrheiten behaupten. In der Groteske „To Die For“ (1995) geht Nicole Kidman als ehrgeizige TV-Moderatorin für ihren Erfolg über Leichen, im unterschätzten Remake-als-Installation von Hitchcocks „Psycho“ (1998) schreibt Van Sant einen Grundtext des modernen US-Films mit Farben neu (und kommentiert darüber die verlorene Tradition der Kolorierung alter Filme), in „Gerry“ (2000) eröffnet er seine naturalistische Diskussion des Jetztmenschen mit zwei Burschen, die durch Landschaften stolpern und dabei fast zu Grunde gehen.

Auch Alex’ Erscheinung als Skater-Bub ist Ergebnis einer Opposition (Rebellion gibt es nicht mehr) gegen sein liberales Elternhaus: mit Freunden geht er in den „Paranoid Park“. Dort haben gestrandete Jugendliche das Gefühlszentrum der Skater-Szene von Portland errichtet. Van Sant lässt seinen Kameramann Christopher Doyle (Rain Cathy Li hat Super 8-Material beigesteuert) Bilder komponieren, die Alex in eine romantische, überlebensgroße Tradition stellen. Er sitzt auf einer Steinbank auf einem Hügel, das hüfthohe Gras bewegt sich im Wind, im Hintergrund schieben sich Wellen an den Strand. „Paranoid Park“ ist nicht linear erzählt: in Vorausblenden schieben sich erst später stattfindende Handlungsmomente in die Erzählung und bereiten auf Alex’ Sturz in die Schuldspirale vor. Man erfährt von einem Sicherheitsbeamten, der von einem Unbekannten mit einem Skateboard geschlagen wurde, gestürzt und von einem Güterzug überrollt worden ist. Das große Gefühl bricht in eine taube Welt ein: in einer großartigen Sequenz wird Alex in der Dusche von den Erfahrungen überwältigt und geht vor seinem Schicksal in die Knie. Auf der Tonebene intensiviert sich ein elektronisches Muster: Elliot Smith, Filmmusiken und Geräusch-Collagen gerinnen zu einer überzeugenden Spur durch die Seelenwelt des jungen Mannes. „Paranoid Park“ ist Zitat und Original gleichzeitig: ein wunderschöner Bastard der Popkultur und Beweis deren Überwindung gleichermaßen, die Antithese zum Zielgruppenfilm.

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