Kalifornien ist dieses Jahr über Schweden zu erreichen: Der sonnengoldene Schimmer der Melancholie entpuppt sich dabei aber allzu oft als Flirt mit der Attitüde.
Ein Überschreiten des Sender-Empfänger Kulturtransfers ist im Popkontext nichts Neues: Musiker inspirieren Musiker, die Musiker inspirieren. Popmusik ist damit ein Archiv vertonter Emotionen, Parolen und Subtexte, die ihrer Zeit angepasst, in jeder Dekade auf den selben Grund und Boden stoßen. Oftmals mündet eine solch bewusst zelebrierte Heldenschau in maßloser Selbstüberschätzung und misslungenen Versuchen, die archetypischen Höhepunkte vergangener Zeiten im hier und jetzt zu wiederholen.
Manchmal dient die wohlsortierte Plattensammlung aber in der Tat als Biotop für Musik, die der Seele gut tut, ganz ohne irgendwelche neuen Akzente zu setzen. Die Konformität der Tradition muss ja nicht prinzipiell schlecht sein. Solander aus Schweden blicken mit “Passing Mt. Satu“ über den großen Teich hin zu den Küsten Kaliforniens – und kreieren in ihrer Nabelschau aus Americana-Folk und West-Coast Pop ein Destillat intensiver Zeitlosigkeit. Namensgeber für das Trio aus Malmö ist der schwedische Botaniker Daniel Solander, welcher im 18. Jahrhundert die Welt auf der Suche nach neuen Arten erkundete. Eine ähnlich intensive, in diesem Fall auf Musik bezogene, Sammelleidenschaft wohnt auch der Band Solander inne. “Everyone in this world dies alone, and so will we“ singt Leadsänger Fredrik Karlsson im wunderschönen “Flight“. Die Melancholie ist erhaben, Cello, Glockenspiel und Mandoline hüllen die Erkenntnis der subjektiven Nichtigkeit in einen goldenen Schimmer.
Wäre die Produktion etwas verwaschen-analoger ausgefallen, würde man fast meinen, den frühen Fleetwood Mac zuzuhören. Der Weg, den Solander hier gehen, führt vorbei an Crosby, Stills & Nash, Buffallo Springfield, Grateful Dead, den Byrds und Big Star. Es ist allerdings keine einsame Route für die hochsympathische Gruppe. Eine Menge kontemporärer Bands bewegen sich zur Zeit im Fahrwasser des kalifornischen Gitarrenpops der 60er und 70er Jahre – und an diesen müssen Solander auch letztlich gemessen werden, und nicht an deren gemeinsamen Idolen.
Sind die Folk-Rocker aus Schweden also die besseren Fleet Foxes, Wilco, oder Built To Spill? Nein, nein und nein. Das Problem ist, ihre Hingabe zur Musik geht über ein Hingerissen-Sein nicht hinaus. Was Solander gut beherrschen, ist der Flirt mit der richtigen Attitüde, was ihnen fehlt, ist das (noch) mangelnde Selbstbewusstsein, den “long, strange trip“ zu verinnerlichen, und nicht nur nachzuspielen. Das soll die Musik von Solander nicht schlechtreden: “Passing Mt. Satu“ ist im Grunde genommen ein außerordentlich gut gemachtes und liebevolles Album, an dem alle Freunde des Genres Gefallen finden werden. Im Vergleich zu anderen, in ähnlicher Weise musizierenden Bands stechen Solander allerdings zu wenig heraus, um sie bedeutend höher aufs Podest einer lebendigen, kontemporären Folk-Szene zu hieven.