Mit Zappelphilipp im Tanzkurs
El Guincho fordert wieder zum ausgelassenen Klatschen und Tanzen auf. Dem Publikum fällt das bei »Pop Negro« auch deutlich leichter. Seine polyrhythmischen Fantasien sind fassbarer geworden.
Es gibt zwei sehr gute Gründe, warum man heuer nicht am Pop-Land Spanien vorbeikommt. Der eine heißt »Subiza« und ist das im Frühling erschienene, berauschende Album der Band Delorean. Der andere heißt »Pop Negro« und ist das ähnlich berauschende, zweite Solo-Album von El Guincho. Was beide Acts verbindet, unterscheidet sie auch voneinander. Zuletzt verdingten sich Delorean noch mit Dance-affinem Indie Rock. Doch plötzlich nahmen sie das ziemlich spanische Genre Balearic Beat in die Songs ihres dritten Albums (»Subiza«) auf und präsentieren seither eine zwingende Mischung aus tropikalisch flimmerndem House, hallendem Dream Pop und süßlich groovendem Techno. Dabei haben sie ihre Gesangsstimmen einfach zwischen den vielen Samples, Synthesizer-Sounds und Percussions als roten Faden eines großen, organischen Ganzen eingeflochten.
Dieser Ansatz erinnert wiederum an das neuerdings verdichtete Sound-Konzept von El Guincho alias Pablo Díaz-Reixa. Der Multi-Instrumentalist von den Kanarischen Inseln geht mit »Pop Negro« vergleichbar Richtung Balearic Beat. Festlegen lässt er sich bei seinem tropikalistischen Melting Pot beschwingter Pop-Melodien, Afrobeat, Dream-Synthies und Sample-Disco aber dennoch kaum. Mittlerweile führt er zwar viel direkter zum Tanzboden hin als auf seinem durchgeknallt bunterem Debüt »Alegranza!«. Und: Wo damals noch in alle Richtungen gesprungen werden durfte, wird heute mit dringlichem Bass und geradlinigerem Beat dafür gesorgt, dass am Ende alles nach großen Harmonien klingt. Jeder der neun Songs hat seinen eigenen roten Faden, die Anleihen an den warmen, verwaschenen Balearic Beat fallen bei der Single »Bombay« am deutlichsten aus, tauchen bei „Novias« und „Ghetto Facil« in Spurenelementen auf. »FM Tan Sexy« zum Beispiel präsentiert sich fast als polyrhythmischer R’n’B und das schummrige Saxofon-Solo macht das zappelnde »Muerte Midi“ schon fast zur Disco-Ballade. Die karibischen Trommelwirbel und die wilden Synthesizer überlagern nicht mehr El Guinchos auf Samples basierende Sound-Collagen, sondern ordnen sie vielmehr. Das Angebot, euphorisiert zu Tanzen (»Alegranza!«), ist einer Tanzaufforderung mit nachvollziehbaren Rhythmen gewichen. Mit »Pop Negro« ist jedenfalls klar, dass El Guincho beides auf höchstem Niveau beherrscht.