SBTRKT

Post-Garage/Minimal/Dubstep, R&B und Soul: Ein aufgegangenes Klangexperiment, das mehr ist als die Summe seiner Teile.

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Während in Wien Otto Habsburgs Innereien zu Grabe getragen werden, bahnt sich in London ein musikalischer Thronwechsel an: UK Bass Culture und Modern Dance Music heißen die groben Stichwörter, die die schwitzenden Körper in britischen Clubs derzeit zum Tanzen bringen. Gemeint ist damit die Fusion aus drückendem Dubstep, kopflastigem Ambient und souliger R&B Musik in ein treibendes, personalisiert-technoides Klangamalgam. Der Südlondoner Soundtüftler Aaron Jerome gilt als vielversprechendes Aushängeschild dieser neuen Szene: Der DJ und Produzent mit dem sperrigen Künstlernamen SBTRKT, der sich bisher vor allem durch Instrumental-EP‘s und Remixes für Goldie, Modeselektor und Radiohead einen Namen machte, demonstriert auf seinem selbstbetitelten Longplayer-Debüt, wie frisch und unverbraucht das Erbe von Dubstep auch noch im Jahr 2011 klingen kann.

Befreit von engmaschigen Konventionen, ist das Post-Garage-/Minimal-/Dubstep-Grundgerüst nur ein Teil des Klangpanoramas, dem sich SBTRKT im Zuge seiner Feldforschung bedient. Das wohl überraschendste Novum der Platte sind die im Grundtenor des Sounds eingeflochtenen Vokalparts. Kontextuell am jeweiligen Klangbild behaftet und in liebevoll- künstlerischer Feinarbeit arrangiert, verwendet SBTRKT die Stimmorgane seiner Gastvokalistinnen und Gastvokalisten – unter anderem R&B Ikone Sampha, Jessie Ware, Rose Gabor und Little Dragon-Frontfrau Yukimi Nagano – nicht als synthetisch reproduzierte Vocal-Sampels, sondern als natürlich klingende, mit Bass und Beat interagierende Instrumente.

Auch was das Tempo anbelangt, fährt SBTRKT ordentlich zurück. Zwar vermögen die Garage-Beats immer noch ungereimt zu stottern, doch der Takt des Albums wird eindeutig vom Bass angegeben. Der erste Track “Heatwave“ beginnt als elegisches, Brian Eno-esques Ambient-Stück. Eine analoge Synthiesizerlandschaft baut sich auf, Trip-Hop Beats und dubbiger Tiefenbass wummern im Körper, sanfte Stimmchöre setzen zum Hochtöner-Höhenflug an. Der kaum dreiminütige Track beinhaltet ungefähr all das, was kontemporärer elektronische Musik so oft fehlt: Waghalsigkeit, Stilbruch, Popaffinität und Seele. “Hold On“ ist ein jazzig-elektrifzierter Soulstampfer, der wie eine befremdliche, aber letztlich gelungene Mischung aus Seal und Moloko klingt.

Die Singleauskopplung “Wildfire“ zeigt sich funky, hochpoliert und freizügig. Der etwas zu einschmeichelnde Track funktioniert gerade deswegen sehr gut als Klang-Statement und wird wohl das Club-Nachtleben der nächsten Monate begleiten. Mit “Sanctuary“ und “Trials Of The Past“ verabschiedet sich SBTRKT jedoch von weiteren Kommerz-Annäherungen. Die Nummern sind zwei dunkel wabernde Drum‘n‘Bass Experimente, die sich trotz eines pulsierenden Beats schwer und elegisch geben. Sehr gelungen zudem der Albumcloser “Go Bang“: Die psychedelisch-verqueren, an Flying Lotus erinnernden Beats außer Acht gelassen, ginge die Tribal-Drum Exegese auch problemlos als Neuinterpretation eines verlorenen Peter Gabriel Klassikers durch, so nah am Pop bewegt man sich.

“SBTRKT“ ist mehr als die Summe seiner Teile: Die stilistische Vielfalt des Albums wirkt nämlich niemals aufgezwungen, sondern entfaltet sich als ein organisches Ganzes mit Fokus auf Mehrklang in hochproduzierter Ästhetik. Das Verwunderliche an dieser Musik ist, das die referentiellen Themenläden, derer Aaron Jerome sich bedient, ganz wunderbar miteinander verschmelzen. Es ist Electro-Soul auf hohem Niveau, dessen einziges Manko es ist, da und dort etwas gar zu sonnig zu sein.

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