Gefühle sind ein Zeichen von Schwäche
Leif Randt entwirft eine relativ angenehme Dystopie und beschreibt, wie die Wellness-Yuppie-Hipster-Welt emotional den Bach runter geht.
Es mangelt nicht an Versuchen darin, mit härteren Spielarten von Ironie und dem alten Subversion-durch-Affirmation-Spiel verkorkste männliche adoleszente Ich-Erzähler durch die Meta-Hölle gehen zu lassen. Hinter den perfekten Oberflächen ist nichts, die Post-irgendwas- und Zeichenhaftigkeit aller Dinge fühlt sich wie Beliebigkeit an, erzählt wird meistens im Präsens – das zeitigte dank Huysmans, Salinger, Ellis und Kracht nicht nur einige Perlen, sondern führte die dann sogenannte Popliteratur in den 90ern auch in eine elende, fade Sackgasse.
Um es kurz zu machen: Leif Randt hat mit »Schimmernder Dunst über CobyCounty« den gut gelaunten Ausweg gefunden. CobyCounty ist eine fiebertraumhaft gedämpfte Mischung der jeweils verstörend perfekten Anteile der Touristenvorstellungen von Brighton und Berlin. Alle Leute arbeiten als Literaturagent/innen, Grafikdesigner/innen oder Erlebnisgastronom/innen, aber eigentlich auch nur, weil ihnen diese Jobs so viel Spaß machen, denn reich wären sie sowieso. Das Leben ist eine Reihe von Partys, selbstironischen Running Gags und Schaumbädern, alle sind tolerant, kreativ und abgeklärt. Nun ist es aber nicht so, dass in dieser leicht überkandidelten Wellness-Yuppie-Hipster-Welt die Leute keine Probleme haben. Die Probleme sind nur nicht so schlimm: Darüber nachdenken, ob man gerade eine angemessene Gestik hat, wenn die Freundin Schluss macht oder die Hochbahn beinahe entgleist und die richtige Abstimmung des Bewusstseins dazwischen finden, dass zwar alles (Liebesbeziehungen, Geschmack Anziehsachen, Partys oder Lebensentwürfe bestreffend) zur abgeschmackten leeren Geste verkommen ist, die man nur mehr auf irgendwelchen x-ten Ironieebenen nachmachen kann, dass es sich aber oft gut anfühlt, wenn man sich etwas vormacht und irgendeine beliebige Geste nachmacht. Umgekehrt misstraut unser Held Wim Endersson, 26, Literaturagent, wiederum all seinen inneren Regungen, denn die könnten ja auch nur von mangelnder Selbstkontrolle oder von irgendwelchen abgekauten Klischees kommen.
Es ist eben alles perfekt und sogar, dass es so nichts mehr gibt, gegen das man sein könnte, ist nicht wirklich schlimm. Wim findet fast alles »relativ angenehm«, »total angemessen« oder »eigentlich schön« und wenn man sich ehrlich ist, ist CobyCounty das doch auch. Perfekter Stil, furchtbar lustige Sexszenen und sanfter Spott über die Gegenwart und ihre Texte – CobyCounty ist der selbstreflexivste Damenspitz und das butterweichste schärfste Schwert der neueren deutschen Literatur.