Schwunder

Das Liedgut von Wiens kauzigstem Weirdo hält manche Perle parat. Wer aber auf feine, ironische Untertöne hofft, könnte Opfer der eigenen Erwartungshaltung werden.

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Nino Mandl ist ein Meister der Ironie. Das wußte der stets bedacht in der Pose des Trunkenboldes auftretende Singer/ Songwriter auch immer kongenial umzusetzen. Sein neues Album “Schwunder“ bildet in dieser Hinsicht keinen Bruch zum bisherigen Schaffen – zumindest, so lange man an der Oberfläche verweilt. Geht man ein weniger tiefer ins Material, hat einige Hörgänge hinter sich gebracht und hört den Texten zu, entpuppt sich “Schwunder“ nämlich als ziemlich diffuses Werk.

“Wenn es nicht so platt und ungesund wär, würd ich eventuell schon in Erwägung ziehen, einen erschreckenden Satz an die Wand zu sprühen“, singt Nino im Opener “Urwerk“. Die Gitarren treiben voran, die Dramaturgie sitzt, nur den “erschreckenden Satz“ bleibt er uns schuldig. Kaum ist der Song aus, weiß man auch schon nicht mehr, worüber es eigentlich ging, außer, das gerade eben alles sehr ziellos und ausufernd war.

Etwas beschwingter kommt “Ein Trauriges Lied Über Eine Alte Katze“ daher: “Sie weiß, es mag sie niemand, sie ist hässlicher als die Pestgrube und ihr Gestank ist wie ein Schimmelpelz.“ Das rätselhaft klingende “Plurabelle“ ist vielleicht als Hommage an “Anna Livia Plurabelle“, das wohl surrealistischste Prosawerk des irischen Säufers und Literaten James Joyce, gedacht – auf jeden Fall ist das Stück der unbestreitbare Höhepunkt des Albums. “Was ist nur im Kopf und was ist auf und davon? Plurabelle hat mich ertappt, und das Irrenhaus hat seinen Captain bestellt.“ Die lyrisch-musikalische Verzückung ist hier so perfekt gelungen, das man fast von großer Popmusik sprechen möchte. Schön geworden ist auch die zweite Joyce-Referenz “Finnegans Wake“. “Vielleicht bin ich nicht zugedröhnt, aber ich glaube, man könnte es meinen“, singt Nino in dem leise antreibenden Psychedelic-Gezupfe, das einen irgendwie an Syd Barretts Joyce-Vertonung “Golden Hair“ erinnert.

Leider gehen die restlichen Songs auf “Schwunder“ im Vergleich dazu glamourös unter. Stücke wie “Cafe Elektric“, “Hotel“ oder “Feuer“ klingen zu substanzlos und austauschbar, um sie in den Hirnwindungen einbunkern zu wollen. Man fragt sich, wieso Nino anstelle dieser offensichtlichen Füller-Tracks nicht die formidableren Stücke aus dem Krixi, Kraxi Und Die Kroxn Seitenprojekt und Download-Only-Album “Die Gegenwart hängt uns schon lange zum Hals heraus“ in seinen regulären Longplayer mitaufgenommen hat – in Summe wäre sich damit ein sehr, sehr gutes Album ausgegangen.

Musikalisch ist “Schwunder“ nichtsdestotrotz Nino Mandls bisher ambitioniertestes Projekt. Jene eines H.C. Artman-Vergleichs würdigen lyrischen Spitzen, wie sie die Alben „Down In Albern“ und “The Ocelot Show“ beherbergten, findet man auf der neuen Platte allerdings fast nicht mehr. Die Ironie fühlt sich nicht so fein wie früher an, der Stream-Of-Conciousness gerät viel zu oft aus den Fugen und malt zehn Bilder auf einmal, anstatt ein einziges in voller Pracht zu skizzieren. Zugegeben, sich über die im Vergleich zu anderen kontemporären und deutsch singenden Liedermachern immer noch sehr guten Lyrics zu mokieren, mag einer i-Tüpfelchen Kritik gleichen. Liebhaber von intelligentem Songwriting werden auch auf “Schwunder“ glitzernde Perlen entdecken. Jene, die Ninos Musik allerdings hauptsächlich mit lakonisch-ironischen Untertönen verbinden, könnten hier zum Opfer ihrer eigenen Erwartungshaltung werden.

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