Teufelswerk

Tages- und Nacht-Rhythmus im Einklang

Hell schlägt mit seinem imposant inszenierten Doppelalbum „Teufelswerk“ ein neues Kapitel in der Geschichte von Gigolo auf. Er spannt mit Bravour einen popmusikalischen Bogen zwischen eigenen Techno-Roots und der Ästhetik deutscher 70er-Jahre-Avantgarde-Bands.

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Der gebürtige Bayer Helmut Geier ist nicht nur stolzer Besitzer einer Fußballtrainer-Lizenz sondern gehört auch als DJ Hell bzw. Hell zu den bekanntesten Plattendrehern der Welt und zu den großen Techno-Weiterdenkern Deutschlands. Er erfand nicht nur Ende der 90er Jahre mit seinem eigenen Label International Deejay Gigolo Records den sogenannten Electro-Clash mit und wirbelte die zu der Zeit etwas ins Stocken geratene Techno-Szene gewaltig auf, sondern schaffte es auch, seinen eigenen musikalischen Output durch anspruchsvolles Design und dem für damalige Verhältnisse unüblichen Glamour an die Spitze des öffentlichen Interesses zu katapultieren. Nun, nach etlichen Release-Termin-Verschiebungen, dürfte es der Chef höchstpersönlich sein, der sein Label und gleichzeitig sich selbst als Musiker aus dem Nebel des Vergessens zu ziehen vermag.

„Teufelswerk“ erscheint nicht wie der Vorgänger „NY Muscle“ auf einem Major-Label, sondern im eigenen Haus und ist als aufwendiges Doppelalbum konzipiert, das mit der großen Geste liebäugelt. Auch musikalisch schlägt Helmut Geier auf seinem neuesten Longplayer andere Töne an. Teil Eins trägt den Titel „Night“ und entstand in Zusammenarbeit mit Anthony Rother, Mijk van Dijk und &Me. Illustre Gäste wie P.Diddy und Roxy Music-Mastermind Bryan Ferry veredeln die Sache. Auf diesem Part des Albums widmet sich Hell seinen persönlichen Techno-Roots und hantelt sich treffsicher und stilvoll von technoidem Disco-Pop zu klassischen Electro-Tracks, pumpenden Chicago-House-Grooves, anrührenden Acid-Kaskaden und bestimmenden Detroit-Techno-Sounds. Für den zweiten Teil mit dem programmatischen Namen „Day“ hat der Ober-Gigolo eine Arbeitsgruppe (u.a. Peter Kruder) um sich geschart um an Musik zu arbeiten, die nicht auf den Dancefloor will. Hier verleiht Hell seiner Auseinandersetzung mit der ambientös kosmischen Avantgarde-Musik deutscher 70er-Jahre-Bands musikalischen Ausdruck. Referenzen wie Manuel Göttsching, Neu! oder Can werden da nicht plump zitiert, sondern feinfühlig in eine eigenständige Komposition verwoben. Es ist zu vermuten, dass Hell mit diesem Opus Magnum wieder einmal den Nerv der Zeit getroffen hat, überschlagen sich doch allerorts nicht nur die Kritikerstimmen. Hell hat zwar das DJ im Künstlernamen schon vor längerer Zeit abgelegt, aber damit nicht das DJ-affine Gespür für Selektion und Stil.

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