Es ist nie zu spät für Teen Angst
Sufjan Stevens Songwriting-Talent kann seinen Wahnsinn nicht mehr im Zaum halten. »The Age Of Adz« ist ein großes Album, das mitunter nachhaltig verstört.
Für sein neues Album hat er sich gefühlterweise sehr lange Zeit gelassen. Um dann abermals einen großen Wurf hinzulegen. Die letzten fünf Jahre seit »Illinois« hat Stevens mit allerlei EPs und Songsammlungen zugebracht. Neu und anders ist auf »The Age Of Adz« trotzdem so einiges: In bisher unbekannten Ausmaß rumpelt es auf diesem Album, es kracht die Elektronik. Es wirkt bis zum Ende befremdlich, wenn ein Songwriting-Meister wie Sufjan Stevens, der einen Großteil seiner Karriere damit zubrachte, aufwendige Songs orchestral zu instrumentieren, durchaus unbeholfen auf billige Elektronik-Sounds zurückgreift. Inhaltlich ist es genau dieser Wechsel, der »The Age Of Adz« ausmacht. Denn auch in seinen Texten lässt Stevens eine von ihm selten gehörte, vielleicht erwachsenere Stimmung zu – geprägt von Unsicherheit, Dunkelheit und handfesten Zweifeln.
Bisher war er oft die Ausnahme im Indie-Zirkus. Sein musikalisches Talent war immer unbestritten und rückte ihn in die Nähe von Ausnahme-Songwritern wie Will Oldham oder Conor Oberst. Im Gegensatz zu vielen war die Musik von Stevens aber bunt, verspielt und oft fröhlich. Es gab den Plan, jedem US-Bundesstaat ein Album zu widmen, der 2005 im höchst erfolgreichen »Illinois« seinen bisherigen, allseits gefeierten Höhepunkt fand. Ein Jahr später folgten parallel fünf EPs mit Christmas-Songs und spätestens hier wurde klar, wie ernst er seine Religiösität nimmt. Auf dem aktuellen »The Age Of Adz« wird der Wahnsinn noch greifbarer. Nicht nur das Cover-Artwork, auch die Liner Notes stammen von Royal Robertson, einem schizophrenen, sich selbst als Propheten sehenden US-Künstler, der in seinen Bildern nicht nur Religiösität und Roboter-Fantasien ziemlich undistanziert kurzschließt. Es scheint, als hätte sich Stevens eine klassisch adoleszente Teen Angst ins Jetzt gerettet. Oder sich bisher geweigert, sich dieser zu stellen – weshalb er das nun mit 35 tut. Dem Hörer schenkt er damit ein Album, das in seiner emotionalen Dringlichkeit und seinem Verzicht auf Pragmatismus und Distanz gleichermaßen verrückt wie intensiv wirkt. Ein großer Wurf, der nicht erst im 25-minütigen Finalsong »Impossible Soul« menschliche Befindlichkeiten pointiert und bewegend auf den Punkt bringt. In seiner Nähe zum Wahnsinn aber auch nachhaltig verstört.