Antony ist spürbar älter geworden und wundersam anders geblieben. Ganz nebenbei passiert, sozusagen naturgemäß, Popmusik als große Kunst.
Antony Hegarty (37) ist zum erfolgreichen Künstler und Popstar aufgestiegen. Vor ein paar Jahren schien eine solche Karriere noch nicht absehbar. Ursprünglich hatte sich keine Plattenfirma wirklich für den androgynen New Yorker mit der Falsettstimme interessiert, der sich selbst als „trans-gender“ bezeichnet. Erst seine Zusammenarbeit mit Lou Reed hat ihm die Tür zu einem Labelvertrag und einem breiteren Publikum geöffnet. Als er dann für sein zweites Album „I Am A Bird Now“ 2005 den britischen Mercury Music Prize bekam, fiel erstmals das große Scheinwerferlicht auf seinen überirdisch tremolierenden Gesang. Nach zahlreichen Duetten und Kollaborationen (Lou Reed, Björk, Hercules And Love Affair, Herbert Grönemeyer …) veröffentlichte er im Herbst 2008 schließlich die EP „Another World". Ein delikat abwechslungsreicher Vorgeschmack auf das dritte Soloalbum. Die Erwartungen blieben hoch. Nicht zuletzt aufgrund seiner vielseitig musikalischen Umtriebe. Der Künstler Antony hat sich offenbar verändert und mit ihm das Verhältnis zu seiner Umwelt.
Emotional verhandelt „The Crying Light" das Dasein als organischer Teil des Weltzusammenhangs, sein Verhältnis zu den Elementen. Das klagende, weil liebende Wesen besingt seine Mutter Natur. Das neue Album wurde mit einer Vielzahl von Musikern symphonisch komponiert. Trotzdem klingt das Ergebnis nicht nach pompösem Orchester, sondern die Kompositionen bilden ein mehrdimensionales Klangerlebnis aus atmosphärischer Kammermusik. Entgegen früherer Arbeiten werden die Arrangements aber nicht von Antony dominiert. Der exaltierte dramatische Effekt ist einer musikalischen Essenz gewichen. „The Crying Light" vermittelt zudem ein Gefühl von Selbstbewusstsein und Gelassenheit. Antony betont heute auch, künstlerisch selbstsicherer geworden zu sein. Diese Form des Reifungsprozesses klang bei anderen Veröffentlichungen bereits subtil durch und manifestiert sich in seinen neuen Songs. Ruhige Romantik mit Anspruch auf Wahrhaftigkeit und Kunst. Eine Kunst, die als Popmusik (vermeintliche) Widersprüche in sich vereint und es schafft, weltweit ein großes Publikum zu berühren. Eine Kunst, die sich über Grenzen von Identität, Geschlecht und Sexualität hinwegsetzt und in diesem Kontext wohl natürlicher nicht klingen könnte.