Aus den Schatten der Nordlichter
Vier junge Schwedinnen schöpfen aus ihrem Potenzial und schaffen nebenbei ein kleines Meisterwerk.
“It’s a dark album.” So lautet die von der Band selbst getroffene, grobe Umschreibung der Stimmung auf der neuen Platte. Anders gesagt: zarte und düster aufbrausende Klanggebilde werden von vertrackten Rhythmen und verzerrten Geräuschkulissen gebrochen, um sich dann eindringlich zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Was 2006 auf „Visible Forms“ noch diffuser und atmosphärisch verzerrter zum melancholischen Träumen einlud, hat sich zwei Jahre später zu einer etwas konkreteren Struktur hin entwickelt und spricht eine musikalisch klarere Sprache.
Grundbausteine für diese Entwicklung wurden schon 2004 gelegt, namentlich auf der selbstbetitelten EP. Damals klang vieles zwar noch roher aber auch sehr vielversprechend, authentisch und zukunftsweisend. In nur drei Tagen sei damals alles aufgenommen worden und genau zu jener Rohheit und Kraft wollte man beim Entstehungsprozess von „The Fierce And The Longing“ wieder zurückfinden. Ein gelungenes Vorhaben: Direkter und zugleich komplexer klingen ihre Songs heute, wobei Melancholie als Stimmungs- und Stilelement noch die gewohnt gewichtige Rolle spielt. Die Aufnahmen des neuen Albums wurden zudem in einem Studio inmitten beschaulicher Naturszenerie absolviert und nicht zufällig wurde das Bildnis einer Eule für das Artwork des aktuellen Covers gewählt. Die Natur ist als Begrifflichkeit im Kontext der vier Frauen nicht nur thematisches Etikett, sondern auch Quelle der Inspiration.
Im Gespräch mit der Band wird klar, dass der nachtaktive Vogel, als Zeichen für Düsternis und Wissen, auf mehrfache Weise symbolischen Charakter für die Musik besitzt: “It’s more free, the bird kind of represents that.” Außerdem sei man vor allem in den letzten beiden Jahren sehr viel selbstbewusster im Umgang mit dem eigenen Tun und der eigenen Kunst geworden, was sich ebenso auf das Schreiben der Songs ausgewirkt habe – „We don’t excuse ourselves as much as we did at the beginning.” Das ist auch gut so und deutlich hörbar. Jene Elemente, welche Audrey in ihrer Besonderheit auszeichnen, nämlich das Zusammentreffen von vier unterschiedlichen wie berührenden Singstimmen plus Cello, Piano, Schlagzeug, Gitarre und Bass als große wie abwechslungsreich zusammengedachte Gesamtkompositionen zwischen experimentellem Indie Pop und schemenhaftem Post-Rock, wurden zusätzlich dunkler und detailreicher arrangiert.
Die Band klingt eigenständig, kraftvoller im Ausdruck und zu Recht selbstsicher. Anfangs scheint es zwar, dass sich einem der Zugang zu den neuen Songs etwas weniger schnell erschließen könnte, aber nach intensiverem Erfahren der elf Stücke entwickelt sich eine umso betörendere Nachwirkung. Audrey, das ist düstere Spannung und melancholische Schönheit. Audrey, das ist anspruchsvolles Seufzen mit Tiefgang. Audrey, das ist eine wärmende Empfehlung.