Frankreichs Antwort auf Affine Records. In den Händen von Fulgeance verschmelzen Hip-Hop, Electronica und Bassmusik zu köstlichen Klangwatschen.
Und wieder kommt einer dieser jungen wilden Beatbastler quasi aus dem Nichts um die Ecke gebogen. Ein paar Auskenner hatten ihn zwar schon kommen gehört, aber der Rest wird dieses Debüt-Album brauchen, um seinem Sound zu verfallen und ihn via Social Media mitzuhypen. "To All Of You" ist ein grandioses Album geworden, das zeigt, wie multidimensional sich Fulgeance zwischen den Koordinaten Electronica, Abstract Hip Hop, Soundforschung und Soul bewegt. Das Album verliert dabei aber nie den roten Faden. Sämtliche klanglichen Referenzen werden nicht einfach nur zitiert, sondern gekonnt in Fulgeances eigenständige Sound-Sprache übersetzt. Da holpert ein Modeselektor-artiger Beat, dort peitscht eine Snare, da wird eine verhaspelte Melodie durch dreizehn Aggregatszustände geschickt, dort schwirren Dorian Concept-ähnliche Synthie-Flächen herum, aber die Musik des Franzosen klingt nie wie die Kopie eines Kollegen.
Das Debüt ist ein Konzept-Album geworden – jeder Track ist einer Stadt seiner Touren und dem spezifischen Sound des dortigen elektronischen Undergrounds gewidmet. Das kann man deutlich hören. Zum Beispiel blitzen in Nummern wie "London Falling" oder "Glasgow Lunacy" immer wieder Bruchstücke der dreißigjährigen Ravetradition des vereinigten Königreichs auf oder in "Montefalco Mato" wird traditioneller folkloristischer Chorgesang zerschnipselt und diesen Vocals dann roughe Future Beats entgegengeballert.
Fulgeances Musik ist ein weiterer und vor allem schöner Beweis dafür, dass junge Musikschaffende weder genremäßig noch örtlich so verwurzelt sind wie früher. Sie schöpfen aus einem riesigen Soundfundus und müssen, um vom Musikmachen leben zu können, dauernd touren und Verbindungen knüpfen – das alles fließt häufig direkt in die Tracks ein. Fulgeance hat es aber trotzdem geschafft ein stringentes und homogenes Album zu zimmern, das eine deutliche Handschrift trägt und nicht von seinen unzähligen geographischen und soundseitigen Querverweisen zersprengt wird. Fulgeance ist einer, dessen Pickerl man sich getrost jetzt schon auf das Macbook kleben darf.