Choo Choo Choose Soul
Jan Delays Flirt mit Disco, Soul und Funk geht in die nächste Runde. Auf der Suche nach dem perfekten Sound wird vor allem die Partyfraktion bedient.
Wandlungsfähig ist er ja, der Jan Philipp Eißfeldt aus Hamburg. Die große Zeit des Alias-Wahnsinns, als er sich für jedes Projekt ein passendes Pseudonym zulegte, und so seine stilistische Vielfalt nochmals unterstrich, ist aber vorbei. Es verdichtete sich alles in der Figur Jan Delay – und als dieser hat er nicht nur Anfang des Jahrtausends mit „Searching for the Jan Soul Rebels“ eine formidable deutsprachige Reggae-Platte gemacht, sondern sich ein paar Jährchen später auch neu definiert. „Mercedes Dance“ hieß der Tanzboden-Stampfer, fröhlich zusammengebastelt aus Funk-, Soul- und Disco-Sounds. Das Publikum dankte es herzlich. Konzerte voll, Album in den Charts vorne dabei. Die Sache ist allerdings nach dieser Scheibe noch nicht ganz erledigt gewesen: „Es waren noch einige musikalisch, künstlerische Fragen offen“, so der 32-Jährige, weswegen er mit seiner Begleitband „Disko No.1“ erneut ins Studio marschierte.
Für „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ war das Ensemble von Anfang an in den Produktionsprozess involviert. Mit dem Ergebnis, dass „das die Platte ist, die ich immer schon machen wollte.“ Versteht sich von selbst, dass es der eigenen Meinung nach auch gleich die beste ist. Man hat in langwierigen Prozessen nach dem perfekten Sound gesucht und schuf im Studio Aufnahmebedingungen wie vor 30 Jahren. Retro-Technik pur, und wenn’s mal haperte, kam Input aus diversen Toningenieur-Blogs im Internet. Das Resultat erfreut audiophile Feinspitze ebenso wie die Partyfraktion. Geht ins Ohr, Textfetzen bleiben hängen und bewegen kann man sich auch noch dazu. Gute Laune, fett serviert und ein bisschen Liebesschmalz wenn’s passt. Der perfekte Soundtrack für Krisenflüchtlinge, also.
Zurückgenommen hat sich der stets für markige Zitate bekannte Musiker diesmal in Sachen politischer Statements. „Ich bin nicht unpolitischer geworden, aber wenn ich ein Thema behandelt habe, ist es abgehakt. Ich will mich schließlich nicht ständig wiederholen.“ Ganz ohne gesellschaftspolitische Andeutungen geht es aber freilich nicht ab, jetzt wird halt wenn’s passt gegen das Sterben der Tante-Emma-Läden gesungen. Schließlich will Delay nach wie vor „den Leuten Botschaften in den Kopf packen“. Wenn auch nicht als primäre Intention, sondern als gern gesehenes Nebenprodukt im Kreativitätsprozess – oder bildlicher gesprochen: „Stell dir vor, du kaufst ein paar Turnschuhe, kommst heim, öffnest den Karton und es sind drei Paar Turnschuhe drin. Und die zwei gratis Paare sind noch viel geiler, als das Paar, das du ursprünglich gekauft hast.“
Es geht also in erster Linie um Unterhaltung, auch wenn ein paar Extra-Turnböcke durchaus vorsorglich und subtil im neuen, soliden Album versteckt wurden.