Synästhetische Wunderland-Tour durch Jungmädchen-Phantasien, in der britische Pop-Affinität auf transkontinentale Operettenhaftigkeit trifft und dabei einen Hofknicks macht.
Was sind das für zerbrochene, bittersüße Töne? Der 21-jährige Jungspund Beth Jeans Houghton besitzt eine Stimme, die klingt, als ob die zierliche Frau schon seit ihrem zwölften Lebensjahr in Bars verkehrt. Laut Presseinfo leidet die Künstlerin außerdem seit ihrer Geburt an einer Krankheit, die man sonst nur von LSD-Enthusiasten kennt: Sie sieht die Welt als komplette Sinnes-Synästhesie – was Buchstaben, Zahlen, Worte, Musik oder Wochentage als Abfolge von Farben erscheinen lässt. Mit 17 traf Beth Jeans Houghton als Besucherin des Green Man Festivals auf den US-amerikanischen Westküstenhippie Devandra Banhart, der sie dazu aufforderte mit ihr auf der Bühne zu performen. Ein begeisterter Banhart vernetzte sie daraufhin mit dem Mikrokosmos der Londoner Indie-Szene, wodurch sich alsbald Kooperation mit Electro-Folkern wie Adem und Tunng ergaben. Ihr Debüt “Your‘s Truly, Cellophane Nose“ ist nun der Versuch, als eigenständige Künstlerin zu brillieren.
Produziert von Ben Hillier (Blur, Depeche Mode) wurde der Anker von Houghtons Klangzirkus irgendwo zwischen anbahnender Mädchen-Psychose und künstlerischer Wunderland-Fahrt geworfen. Gelungen ist das mal gut, mal schlecht. Tracks wie “Sweet Tooth Bird“, “Dodecahedron“ oder “The Barely Skinny Bone Tree“ zeugen von einem nicht zu leugnenden Talent für Melodien und Phrasierung. Die Pop-Affinität des Liedguts ist jedoch oftmals eine Spur zu dick aufgetragen worden und versteckt so manchen aufgekratzt-glänzenden Kern hinter zentimeterdicker Schminke. Dezent instrumentierte Passagen (“Liliputt“, “Veins“, “Carousel“) erinnern dafür im positiven Sinne an die transkontinentale Operettenhaftigkeit einer Regina Spektor. “Your‘s Truly, Cellophane Nose“ ist ein interessantes Debüt. Keineswegs perfekt, aber eigenständig genug, um die junge Dame weiterhin im Auge zu behalten.