Man muss nicht unbedingt Sushi mögen, um sich eine Woche lang japanischen Kulturgenüssen hinzugeben. Ein Rückblick auf die Japanweek in Graz von Julia Melcher.
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Eine Woche lang stand Graz im Zeichen der aufgehenden Sonne. Das ist nun keine fernöstlich-romantische Metapher, derer sich hier plump bedient wird. Im Japanischen bedeutet das Wort für Japan – Nihon – nämlich tatsächlich das: ni steht für die Sonne oder den Tag und hon ist der Ursprung. Auch der rote Kreis auf der japanischen Nationalflagge symbolisiert eben dieses. Ob das die Besucher der Japanweek auch realisiert haben, ist allerdings fraglich. Hat demnach die IFF (International Friendship Foundation), eine japanische Organisation, die diesen Kulturaustausch mit anderen Ländern initiiert, deshalb ihr Ziel verfehlt? Lassen wir gemeinsam den Blick zurück schweifen auf die Tage vom 21. – 26. November, in denen sich Graz zu einem „Little Nippon“ verwandelte und zahlreich Neugierige ins Orpheum und in die Alte Universität lockte.
Das dichte Programm bot den Besuchern viel traditionelle japanische „Kultur“, angefangen von Teezeremonien über Ikebana- Workshops im Rahmen der Ausstellung in der alten Universität bis hin zu Schwertkampf, Trommeln und Kimono Modenschau, die man sich beim allabendlichen Bühnenprogramm bei freiem Eintritt zu Gemüte führen konnte. Alles unter dem Motto: Das ist Japan. Dahinter steht ein großes Fragezeichen. Denn was der Durchschnittsbesucher mitnimmt, ist wohl eher eine Bestätigung kultureller Stereotype, als ein Einblick in die tatsächliche japanische Kultur oder Gesellschaft. Dem Publikum schien das nur zur Zufriedenheit zu gereichen. Denn: „So liab sind sie, diese kleinen lächelnden Leute, die sich ständig so herzig verbeugen.“ Jung und Alt waren begeistert. Origami-Schwäne zu falten ist schon einmal etwas anderes, als Strohsterne zu basteln und bietet sicherlich einen Kontrast zu den Punsch-Ständen, die zeitgleich die Innenstadt mit ihrem Glühweindunst vernebeln.
Culture-Clash
Doch hinter all der disziplinierten Höflichkeit steckt auch großes Können und hartes Training. Die Künstler, die an diesem Programm teilnehmen, finanzieren sich die Anreise und den Aufenthalt im jeweiligen Partnerland selbst. Da muss schon ein gewisser Idealismus dahinter stehen. Für Unsereins vielleicht nur schwer nachvollziehbar. Denn zu all den Mühen, die von japanischer Seite auf sich genommen werden, um diese Veranstaltung zu ermöglichen, kommt auch noch die unterschiedliche Vorstellung der Organisation einer solchen hinzu. Wo die Japaner einen straffen, bis ins kleinste Detail ausgefeilten Zeitplan verfolgen, kommt nämlich die österreichische Gemütlichkeit: ein wahrer Kulturschock. Oder vielleicht ein völlig anderes Verständnis des Raum-Zeit-Kontinuums. Nach zähen monatelangen Verhandlungen und Kommunikationsproblemen, nimmt man hier das Ganze wohl etwas gelassener. Fazit: Hinter den Kulissen fand der wirkliche Kulturaustausch auf knallharter Ebene statt. Das Publikum wurde davon verschont. Immerhin wussten beide Seiten nach Außen hin, ein freundliches Gesicht zu wahren, was auch belohnt wurde: für die japanische Trommlerinnen-Gruppe gab es am letzten Abend Standing Ovations und Rufe nach einer Zugabe. Begeistert bemühte man sich um eine gemeinsames Foto mit den Schülerinnen, fürs Familienalbum daheim.
Und der Rest
Was bleibt bei den Grazern nun aber wirklich für ein Eindruck erhalten? Beim Auftritt der Butoh-Tanzgruppe, die vom traditionellen Schema abwich und das Publikum mit modernem Ausdruckstanz verunsicherte, verließen die Besucher schon vorzeitig den Saal. Zu anspruchsvoll? Zu wenig „japanisch“? Das Land der aufgehenden Sonne hat in den letzten Jahrzehnten einen gravierenden Kulturwandel durchgemacht, in dem viele Einflüsse der westlichen Kultur absorbiert wurden. Dient so ein Festival den Veranstaltern womöglich auch dazu, einen Teil der traditionellen Werte zu retten? Gilt es, das internationale Interesse an eben diesen Werten zu wecken? Wie bewusst wird das einem Publikum, das sich zu gratis Unterhaltung bei so einer Veranstaltung einfindet? Am Ende tun sich viele Fragen auf und bleiben dennoch unbeantwortet, so wie zum Beispiel jene, einer Dame im Publikum, die begeistert ausrief: „Das hätte ich mir aber nicht gedacht, dass die Japaner so weltoffen sind, wenn man das mit dem Kommunismus dort bedenkt!“ Da tut sich wahrlich eine neue Weltsicht auf: Marx, Engels, Tenno? Schwer zu beantworten. Der Kulturaustausch muss wohl vertagt werden. Gehen wir am Freitag lieber zu Screaming Bonsai ins ppc!