Nach Rettung in letzter Minute und zwischenzeitlicher Erholungsphase zieren 13 historische Geschäftsbeschriftungen nun eine Feuermauer im 2. Bezirk.
Über den umtriebigen Verein Stadtschrift haben wir an dieser Stelle schon berichtet. Gegründet wurde er von Birgit Ecker und Roland Hörmann, mittlerweile hat sich auch der Schriften-Sammler Christian Procházka dazugesellt. Aufgabengebiet: Alte Fassadenbeschriftungen vor der Verschrottung zu retten. Eine Ausstellung im Dezember 2013 präsentierte eine kleine Auswahl aus dem mittlerweile reichen Fundus an typografischer Feinkost vergangener Zeiten. Das war sehr spannend, aber halt eine "klassische" Ausstellung – im Innenraum, mit Öffnungszeiten.
Doch schon seit längerem schwebt den Initiatoren etwas anderes vor. Kein zentrales Buchstabenmuseum, wie es etwa Berlin schon seit vielen Jahren hat (und worum es beneidet wird!), sondern eine prominente Präsentation im öffentlichen Raum. Ganz nach dem Motto: Was über Jahrzehnte öffentlich war, muss der Öffentlichkeit erhalten bleiben – sonst nützt das ganze Buchstabensammeln ja (fast) niemandem. Es war zwischenzeitlich ein steiniger Weg, geprägt von Behördenwegen, Subventionsabsagen und der Erkenntnis, dass eine Präsentation an einer Feuermauer nicht aus eigener Tasche zu bezahlen ist.
Leuchtet dir heim in der Sperlgasse
Doch Ecker, Hörmann & Procházka haben Gott sei Dank nicht den Hut draufgehaut. Dass es schließlich geklappt hat, verdanken sie dem Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband Wien, der die Finanzierung des Projekts gesichert hat, sowie der auf Leuchtreklame spezialisierten Firma Weinwurm, die sich um die Instandsetzung und Montage der gekümmert hat. Chapeau für so viel Engagement!
Seit 25. September ist die Feuermauer des Sperlgymnasiums im 2. Bezirk (Kleine Sperlgasse 2c) nun ein museales Unikum, das 24 Stunden besucht werden kann. 13 Beschriftungen (von den 50er bis zu den 80er Jahren) wurden montiert, bis zu drei dürfen in Zukunft gleichzeitig leuchten. Eine Gemeinsamkeit verbindet sie: Ob Lebensmittel, Gas, Elektrik oder Coiffeur – stets handelt es sich um Branchen und nicht um Marken. Heute geht man ja bekanntlich "zum Billa" oder "zum Sport Experts".
Die Mauer-Schau in Leopoldstadt soll erst der Anfang sein für das "dezentrale Museum" der besonderen Art. Hoffen wir, dass es zu weiteren Präsentationen in anderen Bezirken kommt, mit etwas weniger Stolpersteinen. Auf dass man in ein paar Jahren eine typografische Spazierroute durch Wien gehen kann, die uns über Typografie, Lifestyle und Konsumgewohnheiten von einst Auskunft gibt. Noch ein Tipp: Ideale Besichtigungszeit ist die Dämmerung. Wenn dann die Lichter angehen, dann – Achtung, jetzt wird’s kitschig – ja dann geht einem das Herz auf.
Im sozialen Netzwerk findet man den Verein "Stadtschrift" hier. Der Beginn eines künftigen Outdoor-Stadtschrift-Museums oder -Walks ist an der Feuermauer des Sperlgymnasiums zu besichtigen.