Die Crowd auf Knopfdruck

Arash T. Riahi geht mit seiner Produktionsfirma Golden Girls neue Wege. Erstmals konnte in Österreich für ein Filmprojekt eine relevante Summe über Crowd Funding aufgebracht werden.

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Es gab in Österreich bislang keine nennenswerte Erfolge, Projekte über Crowd Funding anzustoßen. Was hat euch dazu bewogen, für eure Satire »Sierra Zulu« diesen Weg zu gehen?

Wir erhielten vor zwei Jahren eine Projektentwicklungsförderung von ÖFI und Filmfonds Wien, um »Sierra Zulu« mit dem Künstlerkollektiv Monochrom zu entwickeln. Wir haben dann ein 330 Seiten starkes Buch eingereicht, ein schönes Paket geschnürt mit Zusage von Robert Picardo (»Star Trek Voyager«), Amber Benson (»Buffy«), Jello Biafra (Sänger der Dead Kennedys), Joi Ito (MIT Media Lab), Steve Wozniak (Mitbegründer von Apple Computers), Max Grodenchik (»Star Trek Deep Space Nine«), Martin Gschlacht für die Kamera, Hanekes Ausstatter Christoph Kantor und Hans Wagner. Aaron Muszalski, ein Mitarbeiter von Lucas Films, würde die Special Effects übernehmen, Stephen Tolin die Animatronics und den Score würde der Wes Anderson-Komponist Marc Mothersbaugh übernehmen.

Die Förderstellen haben aber schließlich die Herstellungsförderung abgelehnt. Interessanterweise waren aber die Begründungen der Ablehnung ganz unterschiedlich. Während eine Förderstelle eine erneute Einreichung von uns nicht gut geheißen hat, weil ihnen das Projekt einfach nicht gefällt, haben die anderen zwei Stellen uns ermuntert, weiter am Buch zu feilen und noch einmal mit einem etwas reduzierteren Budget einzureichen. Sie fanden die Einreichung an sich toll und das Projekt sehr neu und innovativ und hatten es hauptsächlich abgelehnt, weil diverse Unsicherheiten, die es eben bei jedem Erstlingsfilm in dieser Dimension gibt, die Jury verunsichert haben. Für ein Regie-Debüt, es geht um Johannes Grenzfurthner, waren ihnen 2,8 Mio. Euro zu viel. Wir haben nun erneut eingereicht und die Entscheidung wird im Oktober fallen. Bis dahin wollten wir durch die Crowdfunding-Aktion Zeichen setzen.

Zeichen setzen heißt, selbst Fundraising zu betreiben?

Ja, Johannes tourte durch die USA, war bei mehreren Konferenzen, etwa bei der Hope Convention und diversen Hackermeetings, und warb für unser Projekt. Wir definierten mit 100.000 Euro ein Ziel in unserem Finanzierungsplan, das wir mit Crowd Funding aufstellen wollen. Wir begannen auf Kickstarter mit 50.000 Dollar und konnten das Ziel tatsächlich erreichen. Über 400 Leute haben das Projekt unterstützt, viele mit kleinen Summen, einer erwarb das 9.900-Dollar-Paket.

Was verspricht Kickstarter?

Die Plattform ist groß und bekannt, das erleichtert die Sache. Der Nachteil ist, dass beim Verfehlen des Zieles das gesamte Geld weg ist. Wir waren aber vier Tage vor Fristablauf sicher, dass wir es schaffen. Dafür ist einiges an Mobilisierung nötig. Es gibt aber auch andere Plattformen wie Indiegogo, dort bleibt einem jede aufgebrachte Summe. Für dieses Projekt erschien uns Kickstarter aber passend, weil es sehr Community-orientiert ist. Wenn es „alles oder nichts“ heißt, kann das ein Vorteil sein. Da kann es sein, das Unterstützer am Schluss nochmal ein Paket erwerben, um das Projekt zum Erfolg zu führen.

Warum nicht fünf mal 10.000 Dollar als Ziel setzen und Risiko minimieren?

Das ginge, aber wer sich unsere Kampagne ansieht, wird erkennen, welch immenser Aufwand dahinter steht. So etwas fünf Mal zu machen, wäre zu aufwendig. Zudem: Eine Kampagne mit 10.000 Euro für ein Budget von 2,5 Mio. Euro wäre fast schon lächerlich.

Was lässt sich nun mit den 40.000 Euro anstellen?

Wir bunkern erstmal das Geld und informieren die Förderung darüber, dass es offenbar Interesse gibt. Auch die Presse, die man über so ein Projekt erhält, ist ein Vorteil. Es gab nicht nur Internet- und Geek-Magazine, die darüber berichteten und Öffentlichkeit schufen. Auch die Salzburger Nachrichten oder Der Standard oder die französische Liberation haben darüber berichtet. Wir bekommen auch schon diverse Anfragen von internationalen Schauspielern und Agenturen, die bei dem Projekt dabei sein wollen.


Macht Crowd Funding Sinn, wenn man keine Netzwerke hat?

Am besten ist schon, wenn man auf eine vorhandene Community aufbauen kann. Aber Kickstarter frequentieren auch Leute, die als Hobby nach interessanten Projekten suchen, bei denen sie dabei sein können. Das ist eine neue Art des Entrepreneurship. Viele Unterstützer dürften ganz normale Jobs haben und den Wunsch, auch Teil von andern Welten und Projekten zu sein, die normalerweise außerhalb ihrer Reichweite passieren. Ich finde das eigentlich sehr schön, dass das Publikum sich so auch in den Film hineinschreiben kann.

Was erwarten sich die Leute im Gegenzug?

Man kann z.B. namentlich im Nachspann aufscheinen oder ein Foto von sich in den Film reinschmuggeln. Zum Beispiel auf einem der sowjetischen Poster an der Wand eines Museums. Man kann auch ein Frame des Filmes kaufen oder auch eine Kleinrolle im Film bekommen. Den Fans vermittelt das ein Gefühl, dass der Film ein bisschen auch ihr Baby ist, und sie fiebern richtig mit, was auch sehr viral werden kann. Beim Crowd-Funding-Vorzeigefilm »Iron Sky« wurden rund 500.000 Dollar über Crowd Funding plus weitere 400.000 über Crowd Investing organisiert, also rund zehn Prozent des Budgets. Die Leute wurden massiv in die Produktion einbezogen, sie erstellten Design-Vorschläge für Nazi-Uniformen. Der so kreierte Hype hielt das Projekt über Jahre im Netz präsent.

Braucht man für erfolgreiches Crowd Funding die USA, oder lässt sich das hier oder in Deutschland ebenso gut bewerkstelligen?

Gut möglich, dass die Leute in den USA eher bereit sind, zu investieren, weil es dort keine klassische Filmförderung gibt. Natürlich gibt es auch Crowd Investing, mit der Möglichkeit der Gewinnbeteiligung. Aber prinzipiell sollte das überall funktionieren. Das Paradebeispiel »Iron Sky« ist übrigens nicht aus den USA, sondern stammt von finnischen Internet-Nerds. Es gibt aber auch mit »Stromberg«, dem Kinofilm, ein erfolgreiches Beispiel in Deutschland. Eine Million Euro wurden lukriert, freilich mit der großen Crowd der Serie im Hintergrund.

Wie geht es nun mit „»Sierra Zulu« weiter?

Falls die österreichische Förderzusage kommt, wird unser deutscher Koproduzent Flying Moon in Deutschland ebenfalls einreichen. Falls alles gut geht, drehen wir im kommenden Frühling/ Sommer. Grundsätzlich können Förderer aber nicht darauf vertrauen, dass Crowd Funding ihre Anteile ersetzt. Es geht hier um ein neues Modell, mit dem sich zu Beginn und grundsätzlich im Marketing – schon während der Produktion – etwas bewegen lässt. Ich würde es bei größeren Projekten eher als Spitzenfinanzierung und Marketingtool betrachten. Man kann etwa eine Weltkarte, die alle Supporter als rote Punkte zeigt, ins Netz stellen. Bei der Suche nach einem Weltvertrieb hilft es, wenn man auf Knopfdruck 3.000 Leute in Brasilien aktivieren kann. In Brasilien gibt es bereits Cinema on Demand, das sind neue Tools, die man nützen muss.

Klingt interessant, aber wie realistisch ist das?

Wir haben mit einem ähnlichen Tool schon Erfahrung. »Schwarzkopf«, die HipHop-Doku meines Bruders Arman, hatte 10.000 Facebook-Fans, jetzt sind es 22.000. Beim DVD-Release konnten wir die Leute sofort erreichen und mobilisieren. »Schwarzkopf« war mehrere Wochen lang Nummer 1 in den deutschen Amazon Doku-Charts. Aber auch im Kino zeigte sich mit 8.000 Besuchern in Österreich, dass hier auf diese Weise Publikum für einen Spartenfilm ins Kino geholt werden konnte, das sich normalerweise Filme nur mehr im Netz ansieht. Denn davor schrieben einige Leute: Wie schaut es aus, wann kann ich den Film auf kino.to sehen?

Sierra Zulu kommt irgendwann in die Kinos, braucht aber immer Unterstützung.

www.sierra-zulu.com

Bild(er) © Monochrom, Scott Beale
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