Schelm, Schmerzensmann, Superstar

Anstatt Mütter zu ficken, will der neue Rap-Superstar Cro mit ihren Töchtern schäkern. Mit smarten Indie-Pop-Schmankerln weicht er deutschen HipHop wieder für die Mittelschicht auf. Eine gute Hit-Single genügt doch.

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Spätestens, als der zehnjährige Samuel in der RTL-Fernsehshow "Deutschland sucht den Superstar Kids" auftritt und "Easy" rappt, sollte allen klar geworden sein, wie erfolgreich Cro wirklich ist. Die Performance wird von den TV-Juroren gelobt, Berufszyniker Dieter Bohlen gibt sich begeistert. Das Studiopublikum johlt und tost. Das war Anfang Mai 2012, lange nachdem Jan Delay via Facebook Cro zur "Zukunft von Deutschrap" erhoben hatte und gerade als seine Hit-Single "Easy" 17 Millionen Mal angeklickt wurde. Die Facebook-Seite von Cro wird schon bald mehr als 800.000 Zeigefingern gefallen haben. Und sein im Sommer erscheinendes Debüt wird auf Platz Eins der deutschen Albumcharts landen. Das freut den jungen Rapper Anfang 20, der sein Gesicht hinter einer großen Pandabärenmaske verbirgt. Und es freut sein Umfeld, das vom Hype des neuen Pop-Phantoms profitiert.

Da wäre einmal das kleine Indie-Rap-Label Chimperator aus Stuttgart, dessen Genre-übergreifenden Künstler (Kaas, Tua, Maeckes, Plan B, Die Orsons) den Weg geebnet haben für verspielte Charaktere wie ihn. Im Frühjahr 2011 veröffentlicht Cro sein Mixtape "Meine Musik" gratis im Netz. Er produziert selbst, rappt und singt. Seine Songs sind eingängig, voll mit Pop-Samples von Caesars bis Vampire Weekend. Dass Kaas ihn kurz darauf via Twitter aufspürt und schließlich zur Vertragsunterzeichnung bei Chimperator bringt, ist Teil einer folgerichtigen Evolution innerhalb einer immer bunter werdenden Rap-Szene. Die üppigen Angebote zahlreicher Major Labels hat Produzent und Rapper Cro zielsicher abgelehnt. Seine Tourneen sind ohnehin ausverkauft. Sky ist the limit. Die Mystifizierung per Maske hat schon die Karriere von Sido befördert. Doch der Straßenrap, den er ab 2003 mit Aggro Berlin etabliert hat, ist längst nicht mehr die einzige Einstiegsdroge auf deutschen Schulhöfen. Schillernde Individualisten wie Marteria (Marsimoto), Casper, K.I.Z. oder auch Haftbefehl repräsentieren an der Spitze der Charts die Vielfalt von deutschsprachigem HipHop anno 2012. Vom kommerziellen Olymp bis zum brodelnden Untergrund zeigt sich eine Szene, deren Spektrum so bunt ist wie nie zuvor und endlich auch so wahrgenommen wird. Die Nachfrage nach harmlosen deutschen Rap-Songs ist in den letzten Jahren schon viel zu groß geworden, als dass der Überraschungserfolg von Cro eine Überraschung bleiben sollte.

Deine Mutter klickt ihn

Neben Cro gibt es eine Kollegen-Kreis neuer deutscher MCs (Rockstah, Ahzumjot, Kayn Bock, Olson, Eou), die sich hörbar von dem inspirieren haben lassen, was sich vor etwa fünf Jahren unter dem Titel Hipster-Rap zwischen die Platzhirsch-Gangster in den US-amerikanischen Medien schob. Ihre Einflüsse reichen von Trendsetter Kanye West, The Cool Kids, Kid Cudi, Chiddy Bang bis zu Theophilus London. Als bekennende Nerds und geschulte Netzwerker haben die deutschen Nachzügler genau hingesehen. Sie haben gelernt, Pop leichtfüßig zu interpretieren und Social Media für sich zu nutzen. Da wie dort wird Do-It-Yourself als Selbstvermarktung verstanden und viral verbreitet. So gehen reihenweise Mixtapes gratis ins Netz, man geht auf Tour und eröffnet Webshops für selbst gemachte Mode. Vio Vio heißt die Marke von Cro. Sein Sortiment besteht (noch) aus T-Shirts mit großflächigen Aufdrucken – geometrische Formen und andere Beliebigkeiten. Understatement und Ironie werden hier bis zum Exzess getrieben, denn Hype bricht in den großen Feuilletons der Bundesrepublik eine Diskussion um gefühlsbetonte Schmerzensmänner aus, denen vor lauter Emanzipation die Kanten fehlen würden.

"Sie ist ein bissche L.A. Ghetto, ein bisschen Nizza/Ein bisschen Hipster, ein bisschen Glitzer Glitzer/ Doch scheiß mal auf Schampus, sie will’n SIxer" ("Allein") – Cro stilisiert sich derweil als Dandy, der nicht groß oder stark sein, sondern sich in den Armen seiner Amazonen ausruhen will. Sein Charme kommt nicht nur bei Mädchen und Frauen gut an. Er verkörpert einen anpassungsfähigen Mittelstand, der emotional und finanziell unabhängig sein kann. Dennoch ist seine Musik smart und überdurchschnittlicher Pop. Cro ist zweifelsohne ein talentierter Schreiber, der eingängige Hymnen aus simplen Elementen formen kann, ohne dass sie einfältig klingen. So eine unaufgeregten Ohrwurm wie die Hit-Single "Easy" hat deutscher HipHop lange nicht hervorgebracht. Zumindest dafür darf der Panda gestreichelt werden.

Zum Interview mit Cro geht es hier.

Das Debütalbum "Raop" von Cro erscheint am 6. Juli via Chimperator. Am 4. Juli gastiert Cro mit Mac Miller beim Beeasy Festival in der Arena Wien. Am 9. August spielt Cro live in der Poolbar in Feldkirch. Weitere Termine 13.08. Innsbruck, 14.08. Linz, 15.08. FM4 Frequency Festival, 23.10. Rockhouse Salzburg, 24.10. Flex Wien, 25.10. PPC Graz, 26.10. Warehouse St. Pölten

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