Gaspar Noé ist ein harter Hund. Mit "Love" wollte er einen harten Kunstfilm machen, bei dem Frauen weinen und Männer im Kino hart werden. Am Ende geschieht nichts davon.
In Rückblenden erinnert sich der amerikanische Filmstudent Murphy an seine große Liebe Electra. Diese Liebe kam ins Bröckeln, als sich das Pärchen die junge Nachbarin Omi zu einem flotten Dreier ins Bett einlud. Was folgte, waren Betrug, sexuelle Ausschweifungen und der Tod der Liebe.
Murphys Charakter dient als Platzhalter für Regisseur Noé selbst, der davon spricht einen Film aus Blut, Sperma und Tränen zu machen. Gaspar Noés Ziel war es sexuelle Zuneigung so realistisch wie möglich abzubilden, deshalb gibt’s echten Sex. Der Sex ist aber nicht so durchchoreographiert wie in Pornos. Das wurde den Schauspielern schon selbst überlassen. Immerhin geht es hier ja um die Kunst. Und eigentlich auch um Gefühle, aber das haut nicht so ganz hin. Als Zuschauer verspürt man keinerlei Mitleid mit Murphy, der seine Freundin mehrfach betrügt und einen Tobsuchtsanfall kriegt, sobald sie mit einem Ex redet. Egal was Noé sagt, es geht in „Love“ nicht um die Liebe, sondern um den Sex. Das ist weder besonders neu, noch der große Aufreger, den er gern hätte.
Kunstfilm? Nein!
Womit wir schon beim nächsten Problem wären. Gaspar Noé hat anscheinend von Terrence Malick’s „Tree of Life“ abgeschrieben. Jetzt flüstert Murphy dauernd irgendeinen Dreck aus dem Off daher, der weder intellektuell noch interessant ist, aber als große Kunst verkauft wird. Wieso man mit Murphy auch nur ein bisserl Mitleid haben sollte, versteht wirklich keiner. Er macht seine derzeitige Freundin (und Mutter seines Kindes) total fertig, während er sich daran erinnert, wie er das gleiche mit ihrer Vorgängerin gemacht hat. Es ist weniger eine Geschichte von Liebe als von emotionaler Ausbeutung. Wo die realistische, alltägliche Zuneigung zweier Liebender bei einer Massenorgie oder dem Besuch bei einer Transgenderperson bleibt, weiß wohl nur Gaspar Noé selbst. Statt bei Malick hätte er sich lieber bei dem japanischen „Im Reich der Sinne“ Notizen machen sollen. Dort kann man lernen, wie man echten Sex mit einer emotionalen und intellektuellen Handlung verknüpft.
Die Kunst muss man erst suchen
Wirklich kunstvoll ist nur die Arbeit des Kameramannes Benoit Debie. Dieser lässt die Kamera minutenlang über dem Bett schweben, oder konzentriert sich beim Dreier lange Zeit nur auf die Füße. Man spürt richtig seine Versuche, den Dreh nicht zum Porno abdriften zu lassen. Fast in jeder Sexszene findet er interessante Einstellungen und erzeugt tolle Bilder.
Leider wollte Noé den Film aber in 3D haben. Man kann mit dem Finger regelrecht auf die eine Szene zeigen, die er unbedingt in der dritten Dimension haben wollte. Der große Glory Shot des Filmes ist ein frontal aufgenommener Penis, der in die Kamera (und so in den Kinosaal) spritzt. Oh Gaspar, du Schelm du!
Was bleibt, ist ein über zwei Stunden langer Film, dessen Handlung maximal 50 Minuten füllen kann. Der Rest wird mit langem Hardcore Sex gefüllt. Wie bei einem Actionfilm funktionieren Explosionen und Kampfszenen nur, wenn dadurch eine gute Geschichte erzählt wird. Gaspar Noé schafft es aber nicht mit dem Sex etwas Tiefsinniges über die Liebe von Murphy und Electra zu sagen. Stattdessen ist sein „Love“ nur ein „Transformers“ der Kunstwelt.
„Love“ läuft bereits in österreichischen Kinos. Genauer gesagt im Gartenbau in 3D.