Die Olympischen Spiele werfen ihre Schatten voraus: Das V&A Museum in London klotzt mit britischem Design aus sechs Jahrzehnten. Ein Lehrstück.
London zur Zeit der Olympischen Spiele muss die Hölle sein. Daher hat man noch circa 100 Tage Zeit, um eine Ausstellung zu halbwegs menschenwürdigen Bedingungen anschauen zu können, die es ohne den Mega-Event in dieser Form mutmaßlich nicht gegeben hätte. Das Victoria & Albert Museum, für viele das bedeutendste Designmuseum überhaupt, nützt die weltweite Aufmerksamkeit, um das Britische Design ganz hoch aufs Podest zu stellen. Die Ausstellung „British Design 1948-2012: Innovation in the Modern Age“ stellt den bescheidenen Anspruch, das „Best of British Design“ nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals in einer Zusammenschau zu zeigen. Wobei klar ist, dass mit Design keineswegs nur Produktdesign, sondern auch Grafik, Mode, Kunsthandwerk und Architektur gemeint ist. Das Ganze klingt natürlich verdammt nach britischer Eigen-PR, ist es auch, schließlich geht es darum, den Status des Vereinigten Königreichs als „Global Leader in Design“ zu unterstreichen.
Gerade London hat sich als Kreativhauptstadt immer wieder neu erfunden: Das legendäre „Swingin London“ wurde von der noch viel legendäreren Punkbewegung abgelöst, später kam Blairs „Cool Britannia“ – und trotz abartiger Mieten und Preise hat die Capital of Design auch in den Nullerjahren nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Die Ausstellung zeigt etwas über 300 Objekte (was angesichts der Breite des Themas geradezu asketisch erscheint) und gliedert sich in drei Sektionen.
Zunächst geht es um die zwei Jahrzehnte nach 1945, als sich eine Nation zwischen großer (Handwerks-) Tradition und Moderne neu positionieren musste. Hier wird vorgeführt, wie stark der Einfluss britischen Designs auf die Konsumkultur der neu prosperierenden Mittelklasse wurde. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den subversiven Tendenzen im britischen Design (Sex Pistol-Covers, Vivienne Westwood, Malcolm McLaren und Konsorten) und der dritte Teil begibt sich auf die Suche nach den Material-Innovationen, die das britische Design immer wieder auf Vordermann gebracht haben. Stets faszinierend ist, wie breit das Spektrum britischen Designs ist: Der eine denkt dabei an Peter Savilles Plattencover für Joy Division oder New Order, der zweite an Laura Ashleys Romantik-Parallelwelt und der dritte an Tom Dixons „Designer“-Designmöbel. Alle drei kuscheln jetzt zusammen in der Ausstellung, die größtenteils mit weiteren „Big Names“ bestückt ist.
Das V&A macht mit „British Design“ viel Getöse um viel Inhalt, keine Frage. Wer jetzt guten Herzens meint, etwas weniger Etabliertes und Bekanntes wäre vielleicht spannender gewesen und hätte sich auch dieses Rampenlicht verdient, hat natürlich recht. Aber der sollte London im Olympiajahr vielleicht ohnehin meiden.
Noch bis 12. August 2012