„Ich habe einen Türkinnen-Look“

Fashion Designer Hvala Ilija im Interview

15. Januar 2017

Die Mode von „Hvala Ilija“ wird in Paris, London und anderen Kulturstädten ausgestellt. Ihren Ursprung hat sie aber in Meidling. Im Sandwichladen seiner Mutter haben wir mit dem bosnisch-stämmigen Designer über Kunst, das Leben im Arbeiterbezirk und darüber, wie Männer mit Liebeskummer umgehen, geredet.

Fangen wir mal mit diesem Ort an. Warum sind wir hier?

Hvala Ilija: Das ist der Laden meiner Mutter in Meidling. An diesem Ort bin ich aufgewachsen und hier kommen auch viele meiner Ideen her. Es ist sehr familiär hier – die Leute, die herkommen, sind alles schon langjährige Kunden. Und du hast alles dabei: vom Ex-Modell, einem AMS-Patienten, alles Mögliche halt. Es sind zum Teil die ärgsten Menschen. Wenn du ihnen auf der Straße, würdest du dir die wildesten Geschichten um sie herum ausdenken. Es sind die komischsten der Komischen und die liebsten der Liebsten. Aber keiner wird ausgeschlossen, alle haben einen Platz hier.

Ist das auch der Grund, warum du gerne im 12. lebst?

Hvala Ilija: Der Bezirk hat für mich eine Art bosnische Atmosphäre angenommen. Du kennst deine Nachbarn und es gibt dieses „Ich ruf dich an – kann ich vorbeikommen, darf ich vorbeikommen?“ nicht. Man kommt einfach hin. Man kennt sich, sieht sich auf der Straße. Jemand lässt einen Furz und in 5 Minuten weiß es der Nachbar. Deshalb liebe ich diesen Bezirk. Als Arbeiterbezirk hat er auch sehr meine Arbeit geprägt, obwohl ich nicht sagen möchte, dass ich meine Arbeit um den 12. herum gebaut habe. Bis zu meiner ersten Arbeit war mir auch gar nicht bewusst, dass mich Meidling ästhetisch beeinflusst hat.

Kommen wir zur Mode: ist sie wirklich so eine Glitterwelt?

Hvala Ilija: Natürlich glaubst du es ist eine Glitterwelt, wenn du immer nur den Catwalk-Moment und die Leute siehst, die dort sind und sich gut hergerichtet haben. Aber wenn man dahinter blickt merkt man, dass es eine Arbeit ist wie jede andere. Man steht auf in der Früh, geht in die Werkstatt, arbeitet an seinen Schnitten. Manchmal geht es gut und du feierst Erfolgserlebnisse, manchmal geht es schlecht und du willst einfach nur nach Hause gehen und nichts mehr damit zu tun haben. Ich glaube die Leute denken einfach bei Mode an den Mode-Blogger Lifestyle. Und das hat mit Design absolut nichts zu tun. Es ist echt sehr viel Arbeit und nicht für jedermann. Du musst einfach so viel verzichten.

Wann hattest du deinen letzten Schub an Ideen?

Hvala Ilija: Anfang Dezember. Ich habe mir so eine Doku angeschaut, da ging es um so einen Typen, Muhammed Al-Sahir hieß der, glaube ich. Auf jeden Fall ging es darum, dass er und seine Familie insgesamt so um die 4.000 Euro Hartz IV erhalten haben, ihm aber eigentlich Berlins Unterwelt gehört hat. Und wenn ich jetzt an den Bezirk denke, ist hier gleich die Sozialhilfe, unten das AMS und du kriegst viel mit von den Leuten. Zu dem Zeitpunkt, wenn sie ihre Arbeitslose kassieren, siehst du die Menschenmassen zur Post laufen. Das ist irre. Und manchmal siehst du eben diese Menschen, die kriegen diese Hilfe vom Staat, aber du siehst es ihnen absolut nicht an. Weil sie nach außen etwas leben, was sie sich im Kopf zusammengespinnt haben. Und das finde ich sehr sympathisch. Durch diese ganze „Hartz IV empfangen und leben wie ein Scheich“ bin ich heute wieder auf Ideen gekommen.

Wie war das bei deiner letzten Kollektion Romanntik?

Hvala Ilija: In Romanntik ging es darum, wie Männer in meiner Umgebung mit Herzschmerz umgehen. Zu der Zeit hatten ziemlich viele Freunde von mir Beziehungsprobleme und ich habe mit ihnen geredet, wie jeder von denen mit diesem Thema umgeht. Viele von ihnen sind im Gambling-Studio, im Admiral, in irgendwelchen Lokalen, sehr viel auch in Autos, im Puff, Bordell – was auch immer. Das ist dann eben die ganze Ästhetik die zu dieser Kollektion geführt hat. Für das Video bin ich dann mit einer Freundin, Matejana Ilic, 2 Wochen in der Nacht durch 15., 16., 12., 5. und 4. gelaufen und haben alles aufgenommen, was mir immer schon gefallen hat als Kind. Ich habe es nämlich geliebt, wenn wir am Gürtel vorbeigefahren sind und ich dieses kleine Rotlicht-Szenario beobachten durfte. Für mich hat das immer nach so viel Qualität ausgeschaut. Die Frauen waren immer so hergerichtet und das rote Licht auf ihnen. Das hat so eine Ästhetik gehabt. Und das musste eben raus.

Der Slogan auf deiner Website lautet „Austrian Quality. Bosnian mentality“. Wie viel Jugo steckt in dir?

Hvala Ilija: Ich möchte jetzt nicht alles in eine Schublade stecken, aber was ich von zu Hause kenne – wie Leute Sachen angehen – ist es immer etwas Stabiles, aber das Aussehen kommt nicht so gut raus. Es ist ihnen halt wirklich egal, es muss eine Funktion erfüllen. Wenn meine Mutter zum Beispiel etwas bäckt, dann schmeckt es perfekt, schaut aber nicht gut aus. Der Österreicher kauft aber nichts, was nicht gut aussieht. Bei mir ist es beides: mir ist es wichtig, dass es Funktion hat, wie bei meiner Mutter. Aber eben auch nach Qualität ausschaut. Eigentlich war der Slogan aber nur was Lustiges, was mir eingefallen ist.


Du legst deinen Schwerpunkt bei Mode auf Männer. Warum?

Hvala Ilija: Ich mag die Einschränkungen, die damit einhergehen. Wie ich es bisher immer erlebt habe, braucht ein Mann immer gewissen Sicherheiten. Es ist zum Beispiel schwer ihn zu einer Farbe zu überreden. Wenn du dich vier Jahre zurückerinnerst, hast du keinen Typen gesehen, der Rosa getragen hat. Jetzt ist das ganz normal. Ich mag, dass du dich bei der Männermode an eine gewisse Struktur halten musst und darin Sachen neu verpackst. Bei einer Frauenkollektion habe ich mich selber ab und zu erwischt dabei, wo ich es mir voll leichtgemacht habe. Wo ich mir gedacht haben „Naja, eine Frau hat eine Taille. Dann zieh ich es einfach da ein und es schaut gut aus.“ Und es schaut auch gut aus. Was soll ich da noch großartig verändern? Und bei Männern wird Ästhetik auch immer wichtiger. Da ist eben noch die Frage, wie man die brechen kann. Das interessiert mich.

Und wie ist es, wenn du dich selbst anziehst?

Hvala Ilija: Mode ist für mich da um Spass zu haben. Ich habe für mich persönlich nicht den Drang damit irgendwelche Botschaften reinzupacken – aber es passiert halt. Es muss vor allem praktisch sein und eine Schutzfunktion erfüllen. Ich nehme eher Sachen, die massiver machen. Und ich bin halt ein Jacken-Fan. Und je größer, breiter und gestopfter, desto besser. Und ich bin ein sehr farbgesteuerter Mensch. Wenn ich mich schlecht fühle, würde ich nicht rot anziehen, oder irgendeine Signalfarbe. Ich habe einen Türkinnen-Look, das ist mein Lieblingsoutfit, wenn ich mich absolut nicht wohlfühle. Da habe ich so einen schwarzen langen Mantel und ziehe über meine Kappe noch eine Kapuze. Ich bin schwarz und vermummt, gehe meinen Weg und die Leute lassen mich in Ruhe und fertig. Und das mag ich.

Zum Abschluss: Wer soll deine Kleidung mal tragen? Was wäre da für dich die größte Ehre?

Hvala Ilija: Ich würde kurz so zwei Tage brauchen vor Freude, wenn sich irgendwie die Chance ergibt mit Ulrich Seidl zu arbeiten. Und ich weiß jetzt nicht mal in welchem Kontext. Muss nicht einmal Kleidung sein. Da würde ich einfach zu einem Fan-Girl mutieren, glaube ich.


Ilija Milićič (Havala Ilija) studiert seit 2014 an der Universität für angewandte Kunst Wien. Neben dem Studium stattete er auch Musik-Videos von Bilderbuch und Jugo Ürdens aus. „Romanntik“ ist die erste international erfolgreiche Kollektion des Künstlers. Sie wird vom 17.02.-21.02.17 im Summer Set House des Austrian Cultural Forums London ausgestellt.

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Multimedia-Ateliers am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FH Wien der WKW entstanden.