Leider hat nicht jeder reiche Eltern – die meisten Menschen, die sich noch in Ausbildung befinden, nutzen also die Sommermonate, um die Haushaltskasse ein bisschen aufzubessern. Dabei ist man gerade in jungen Jahre bereit, „Erfahrungen zu sammeln“, was soviel bedeutet wie: „Dinge tun, die man eigentlich nicht tun will“. Haben wir auch gemacht. Das ist uns dabei passiert. Und so haben wir dabei ausgesehen.
Thomas Weber anno 1996 – Briefschlitzen gegen den Atomkrieg
Juni 1995. Ich war 17, hatte eine wallende Metalmähne, gerade die Matura geschafft und noch ein paar Wochen Zeit bis die „Workstation“ begann – eine Art Lehrredaktion beim damals frisch gegründeten Jugendkulturradio FM4. Die Welt: ein sperrangelweit offenstehendes Tor. Die tiefste Überzeugung: The future is bright. Wäre da nicht der Leibhaftige auch noch gewesen: der französische Staatspräsident, der gerade angekündigt hatte, unter Wasser Atomwaffentests durchzuführen. Natürlich gedachte Jacques Chirac nicht daran, das an der Côte d’Azur zu tun, sondern in bester kolonialistischer Tradition weit weg: vor dem französisch-polynesischen Mururoa-Atoll. Heute würde er sich dafür einen ordentlichen Shitstorm einfangen. Aber wir hatten damals ja noch nicht einmal E-Mail-Adressen! Also suchte ich im Telefonbuch nach der Nummer von Greenpeace und fragte den erstbesten ans Telefon Bekommenen, was ich den tun könne.
Ob ich mir was Glamouröseres erwartet hatte, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls fand ich mich am nächsten Tag im Altbaubüro der NGO vor Säcken mit Protestbriefen an den französischen Präsidenten sitzen und Umschläge öffnend Unterschriftenlisten sortieren. Zwei, drei Tage ehrenamtliches Briefschlitzen, dann gab es nichts mehr für mich zu tun. Man bedankte sich – und ich widmete mich wieder meinem Lotterleben: Lagerfeuer, zelten, Musik, lesen und in Schottergruben den Mond anheulen.
Im Rahmen der „FM4 Workstation“ – ansatzweise fast so was wie ein Sommerjob – begegnete mir das Mururoa-Atoll dann wieder. Im Studio wurden live zwei österreichische Greenpeace-Aktivisten verabschiedet, die bereits gepackt hatten, um auf hoher See die französischen Atomtests zu verhindern. Ich erinnere mich nur mehr an eine überaus gutaussehende Aktivistin.
Wochen oder gar Monate später, in denen ich inzwischen gelernt hatte, Radiobeiträge zu schneiden, erfuhr ich – wohl über meine losen Greenpeace-Kontakte – dass es nun soweit wäre: Chirac würde die Bombe hochgehen lassen. Greenpeace rief spontan zur Demo vor der französischen Botschaft am Schwarzenbergplatz auf. Ich war dabei: als Radioreporter mit einem klobigen Aufnahmegerät. Dass der Beitrag rasch on air gehen sollte, brachte mich ganz schön ins Schwitzen. Dass die „Fuck Chirac“-Sprechchöre dabei im Hintergrund zu hören blieben, das war mir – ich gesteh’s – ein Anliegen. Ob ich einen besonders dummen Spruch – ein Aktivist hatte sich „Chirac in den Irak“ rufend ans Gatter der Botschaft gekettet – auch übernommen habe, weiß ich nicht mehr. Im Gedächtnis ist er mir geblieben. Chirac reimt sich seither bei mir halt auf Irak.