Die Fotografin Hertha Hurnaus begab sich auf die Spuren des slowakischen Architekten Vladimir Dedeček – ein Projekt mit Langzeitfolgen.
Ob Hertha Hurnaus von einem Zehnjahresplan ausging, als sie – gemeinsam mit den Architekten Benjamin Konrad und Maik Novotny – 2004 die Website "Eastmodern.com" startete, um Architektur der kommunistischen Zeit in Nachbarstaaten wie Ungarn oder der Slowakei zu dokumentieren? Wohl kaum. Was jedoch schon damals, nach wenigen Entdeckungsfahrten in den Osten klar wurde: mit jedem Gebäude öffnet sich die Tür zum nächsten Projekt.
Es war architekturhistorisches Brachland, das Hurnaus & Co damals betraten. Denn im Westen ist die moderne Architektur der Warschauer Pakt-Länder unbekannt, und bei der einheimischen Bevölkerung stößt sie auf Interesselosigkeit bis Ablehnung. Man kann letzteres verstehen: Die staatlichen und kommunalen Gebäude wirkten nach 1989 schnell altmodisch, der Mief der kommunistischen Zeit verfolgt sie bis heute. Um etwas wertzuschätzen, braucht es oft den Blick von außen: Das beweist dieses Projekt.
Ikonen und Ersetzung
2007 erschien im Springer Verlag dazu ein Buch mit dem Titel "Eastmodern", in dem Hurnaus, Konrad und Novotny die slowakische Architektur der 60er und 70er Jahre vorstellten. Als wichtigster Architekt spielt Vladimir Dedeček in dieser Publikation eine wichtige Rolle. Die Erweiterung der Nationalgalerie in Bratislava, das Nationalarchiv, der Oberste Gerichtshof, die Universität für Landwirtschaft in Nitra: Dedeček war ein vielbeschäftigter Planer, seine Gebäude wurden zu Ikonen der kommunistischen Moderne. Es läge also nahe, sie als sozialistische Architektur zu bezeichnen.
Doch dagegen wehrt sich Dedeček vehement: "Es gab keine sozialistische Architektur, nur die Fehler waren sozialistisch", so ein Bonmot des Slowaken. Es sei selbstverständlich gewesen, dass sich die slowakischen Architekten dieser Zeit (und somit auch er selbst) an der westeuropäischen Architektur – und zwar nicht nur an jener der Moderne – orientierten, der politische Einfluss der Sowjetunion habe keine Rolle gespielt.
Der "Eastmodern"-Band untermauert dies: von KP-Folklore kann keine Rede sein, viele der Gebäude könnten auch in Frankreich, Italien oder Deutschland stehen. Mit dem Unterschied, dass sie der größere Wohlstand wahrscheinlich schon durch neuere Bauten ersetzt hätte. Gebaute kommunistische Ideologie wird man bei Dedeček vergeblich suchen, eher den Versuch, Klarheit in Kombination mit subtilen spielerischen Elementen (inspiriert von zeitgenössischen Kunstströmungen wie der Op-Art) zu schaffen.
Stellvertretend
Da passt es gut, dass Hertha Hurnaus in ihren Fotografien den Blick nicht auf die Gesamtheit der Gebäude lenkt, sondern sich an Details und spezifischen Situationen orientiert. So wird Qualität sichtbar, die nicht von ideologischen Vorurteilen verstellt ist. Nicht zufällig wurde die österreichische Architekturfotografin jüngst von der Slowakischen Nationalgalerie beauftragt, sämtliche Werke von Vladimir Dedeček abzulichten und damit die Basis für die erste umfassende Monografie über den Architekten zu schaffen, die noch dieses Jahr erscheinen soll.
Eine Auswahl von Hertha Hurnaus Bildern ist nun in der Galerie Krobath zu sehen, sie zeigt Fassadenstrukturen, Blickachsen, Raumabfolgen – allesamt autonome Bilder, die nicht bestimmten Gebäuden zugeordnet sind. Ein konzentrierter Blick auf Architektur, die nur wenige Stunden von uns entfernt ist, obwohl sie bisweilen Lichtjahre entfernt zu sein scheint.
Die fotografische Auseinanderstzung von Hertha Hurnaus zu Dedeček kann man sich noch bis 22. April in der Galerie Krobath, Eschenbachgasse 9, 1010 Wien, ansehen.