»Star Trek« – Unendliche Weiten der Differenz

Die Nerds werden unruhig: Im September startet eine neue »Star Trek«-Serie. Wird es »Star Trek: Discovery« schaffen, ein relevanter Zeitkommentar zu werden?

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© CBS Interactive / Jan Thijs — Michael Burnham, erste Offizierin und zentrale Figur von »Star Trek: Discovery«

»Star Trek« war schon immer der Streber in einem Klassenzimmer voller Nerds. »Star Trek« will Dinge richtig machen. Eine Zukunft zeigen, in der die Menschen aus ihren Fehlern gelernt haben. In der »Star Trek«-Zukunft des 23. Jahrhunderts hat die Menschheit Intoleranz und Krieg überwunden, genauso wie Geld, Religion, Hunger oder Krankheit. Die Erde ist eine humanistische, aufgeklärte, tolerante und offene Kraft im Universum. Und dieses Universum ist bevölkert von diversesten fremden Wesen und Gesellschaften, die dieses Selbstverständnis in Frage stellen. Über fünf Serien und 13 Spielfilme konnte man bisher den Captains und ihren Crews zuschauen, wie sie versuchen in einer Welt voller Differenz das Richtige zu tun – und wie schwierig das ist. Es ist nämlich gar nicht so leicht, ein Streber zu sein.

»Star Trek: Discovery« © Second Look Images

Ein Weltall voller anderer

Über alle Serien hinweg ist »Star Trek« oft dann am besten, wenn in einer Folge gar nicht so viel passiert. Neben den großen Kämpfen, temporalen Anomalien oder galaxien-greifenden Konflikten sind es die ruhigen Episoden, die hängenbleiben. Etwa wenn der Android Data über das Menschsein nachdenkt oder Worf als unter Menschen aufgewachsener Klingone seine Identität sucht. Wenn versucht wird zu eruieren, ob dieses seltsame Gas womöglich intelligent ist. Wenn die Crew darüber diskutiert, wie viel Freiheit man für Sicherheit aufgeben kann. Und immer wieder, wenn überlegt wird, wie man interstellare Nachbarschaft anlegt, wenn man mit den Aliens wenig gemeinsam hat: Wie weit geht die eigene Toleranz? Spielt man immer noch fair, wenn es der Gegner nicht tut? Darf man eine Gesellschaft gegen ihren Willen vor sich selbst bewahren, wenn man glaubt, es besser zu wissen? Heiligen Mittel auch mal Zwecke?

Nun kommt nach über zwölf Jahren seit der letzten Serien-Installation der Franchise »Star Trek: Discovery«. Unsere Welt ist in dieser Zeit nicht weniger divers geworden und schon gar nicht toleranter. Ein guter Anlass für mehr »Star Trek«. Die neue Serie dürfen wir dabei ruhig an den eigenen Ansprüchen messen. Und das heißt, dass sie es besser machen muss als der Kino-Reboot der letzten Jahre.

Rebooting Stereotypes?

J. J. Abrams hat für seinen 2009er-Film auf die Charaktere der ersten »Star Trek«-Serie der 1960er zurückgegriffen, die er dank dem Sci-Fi-Kunstgriff einer neuen Timeline aber anders erzählen kann. Frisch ist an dem Film allerdings wenig. Mit den Figuren hat er auch unleidige Stereotype der 60er auferstehen lassen, die »Star Trek« eigentlich schon hinter sich gelassen hatte. Abrams »Star Trek« ist eine Action-Bromance weißer Männer mit ein paar Deko-Aliens ohne Tiefgang. Der neue Captain Kirk ist derselbe Macho wie der alte, darf als Intro eine Frau betrunken blöd anmachen, mit ihrer Freundin schlafen (ups) und ein Auto zu Schrott fahren. Uhura ist als einzige Frau im Team vor allem da, um die Dynamik zwischen Kirk und Spock anzuheizen, denn das Babe steht neuerdings auf den »greenblooded bastard«. Das muss Fortschritt sein. Hoho.

Ein Problem, das viele Franchises haben, die auf Kreationen der 60er zurückgehen – siehe Marvel, DC oder James Bond: Wenige trauen sich, wie neuerdings Dr. Who, am Paradigma des weißen, männlichen Helden etwas zu ändern. Daher ist eine gänzlich neue Serie der einzige sinnvolle weg für »Star Trek«, das außerdem im Serienformat schon immer am stärksten war. »Star Trek: Discovery« lässt den Reboot inklusive der neuen Timeline tatsächlich links liegen und deutet im Trailer an, an alten Tiefgang anschließen zu wollen. Ob es gelingen wird, dafür einen Tonfall zu finden, der fürs 21. Jahrhundert funktioniert, ist erst dann zu beantworten.

Discovery

Von der Handlung sind bisher nur vage Eckdaten bekannt. »Discovery« wird zehn Jahre vor den Ereignissen der »Original Series« angesetzt. Die zentrale Figur soll erstmals nicht ein Captain, sondern der erste Offizier sein und – erst zum zweiten Mal in der Geschichte von »Star Trek« – eine Frau. Sonequa Martin-Green spielt die erste Offizierin Michael Burnham, die als Mensch unter Vulkaniern aufgewachsen ist. Ebenfalls klar ist, dass neben den Vulkaniern, die Klingonen, die Stamm-Aliens der neuen Serie sein werden. Die haben – vieldiskutiert unter den Trekkies – eine visuelle Überarbeitung erhalten.

»Discovery« greift damit auf zwei der beliebtesten Alien-Gesellschaften des »Star Trek«-Kanons zurück: Die logikgetriebenen Vulkanier, die gelernt haben, ihre Emotionen zu unterdrücken und die Kriegergesellschaft der Klingonen, für die Ehre alles ist. Wir dürfen gespannt sein, wie die Serie an deren Darstellung herangeht. Gerade die Klingonen sind ein gutes Beispiel für einen Bereich in dem »Star Trek« aufpassen muss: So liebevoll sie bisher dargestellt wurden, so sehr sind sie meist exotistische Gegenspieler, die Qualitäten der Menschheit besonders deutlich machen sollen. Das Andere feiert sozusagen das Eigene. »Star Trek« neigt außerdem dazu, die Alien-Kulturen als homogene Gruppen zu beschreiben, die qua ihrer Natur so sind wie sie sind – und sie sind alle mehr oder weniger gleich. Dieser Zugang kulturelle Differenzen zu biologisieren ist nicht gerade eine Haltung, die man sich von einer aufgeklärten Supermacht der Zukunft wünscht.

Über alles weitere kann derzeit nur spekuliert werden. Aber wir wissen zumindest, wer die Hauptcharaktere sind und wer sie spielt. Hier setzt »Discovery« das Bestreben fort, Diversität nicht nur zu behaupten, sondern auch zu zeigen. Die Hauptfigur Burnham wird gespielt von der Afroamerikanerin Sonequa Martin-Green, Michelle Yeoh ist Captain, Maulik Pancholy der Arzt an Bord und ein Crew-Mitglied wird ganz nebenbei schwul sein. Es ist traurig, dass man so etwas 2017 noch betonen muss. Gerade im Fall von »Star Trek«, eine Serie schon vor über 50 Jahren wegen ihrer diversen Besetzung Schlagzeilen gemacht hat.

»Star Trek: Discovery« © CBS Interactive / Jan Thijs

Martin Luther King, Trekkie

1966 flimmerte Star Trek zum ersten Mal über die Bildschirme. Eingeschlagen hat damals weniger die fiktive Zukunft als die Realität der Gesichter, die zu sehen waren: Zu den hochrangigen Offizieren auf der Brücke gehörten neben Captain Kirk und seinen Buddies der asiatische Pilot Sulu und die afroamerikanische Kommunikationsoffizierin Uhura. Das war mehr Diversität auf Augenhöhe als man im Fernsehen bis dahin gesehen hatte. Grund genug für manche TV-Stationen in den US-Südstaaten, die Ausstrahlung von »Star Trek« zu verweigern. Auf der anderen Seite der Medaille zählte eine prominente Person zu den ersten Trekkies: Martin Luther King.

Um ihn rankt sich eine besonders beliebte Anekdote der Trekkies: King traf bei einem Galadinner auf Nichelle Nicols, die Uhura spielte und outete sich ihr gegenüber als Fan, worauf sie sich bedankt und erwähnt, die Serie nach der ersten Staffel verlassen zu wollen. King, so erzählt Nichols, reagierte vehement: »Das können sie nicht machen.« Die afroamerikanische Community in Person einer hochrangigen Offizierin auf einem Raumschiff repräsentiert zu sehen, war für King die Bildwerdung seines Kampfes um Gleichberechtigung. Um es in den Worten von Whoopi Goldberg zu sagen, die später bei der »Next Generation« um eine Rolle bat: »I just saw a black woman on television; and she ain’t no maid!« Nichelle Nicols blieb.

I’d love the change the world, but I don’t know what to do

Es ist leicht, »Star Trek« zu belächeln. Utopien sind Mangelware geworden. Sie sind nicht cool. Aber sie sind wichtig. Große Geschichten werden Teil unseres kulturellen Gedächtnisses. Wir nutzen sie, um uns die Welt zu erklären und wir wiederholen sie – bewusst oder unbewusst. So kommt es, dass Scharen von Millennials auf die Trump-Administration mit Zitaten aus »Harry Potter« reagieren. Wir brauchen Geschichten, die uns Bilder in den Kopf setzen, wie eine bessere Zukunft aussehen könnte und die uns erzählen, wie der Weg dahin aussehen könnte – inklusive aller Abgründe, Ambivalenzen, Stolperfallen und Fragezeichen. Ansonsten können wir sie gar nicht ernst nehmen. Eine Utopie heute muss inspirieren und weh tun.

»I’d love the change the world, but I don’t know what to do« singt Jetta im letzten »Star Trek: Discovery«-Trailer. Der Rückgriff auf eine »Ten Years After«-Nummer aus den 70ern ist retro. Das beschriebene Gefühl, das ist gegenwärtig. Wir werden sehen, was für eine Science Fiction »Discovery« daraus spinnt.

Engage.

»Star Trek: Discovery« startet am 24. September 2017 auf CBS in den USA und tags darauf bei Netflix. Alle bisherigen »Star Trek«-Serien sind auf Netflix verfügbar.

Neu im »Star Trek«-Universum? Auf der nächsten Seite folgt ein Crashkurs in Warp-Geschwindigkeit.

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