Gewartet und gefüttert – Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens im Interview

Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens haben der heimischen Kulturszene in den letzten Jahren einen deutlichen Stempel aufgedrückt. Jetzt stehen sie mit ihren Kunstfiguren auch noch vor der Filmkamera. Wir haben mit den beiden über Schauspiel-Crashkurse, die Vorzüge der Dreharbeiten sowie ihre Filme »Sargnagel« und »Another Coin for the Merry-go-round« gesprochen.

Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens kennen einander schon lange. Sie arbeiten immer wieder für Projekte zusammen. Jetzt sind die beiden beim Film gelandet. — Foto: Nikolaus Ostermann

Was du aber ebenfalls bereits gemacht hast. In »Another Coin for the Merry-go-round« von Hannes Starz bist du ja sehr prominent besetzt. Wie kam es eigentlich dazu?

Voodoo: Mit Hannes Starz hab ich schon mehrere Musikvideos realisiert. Pa­rallel arbeitete er aber intensiv am Drehbuch zu »Another Coin for the Merry-go-round« und er dachte sich immer, dass er eine tragende Rolle im Film gerne mit mir besetzten würde. Es geht darin um eine Clique, alle so um die 30, die irgendwie noch immer in ihrem jugendlichen, unbesorgten Leben feststeckt, aber gleichzeitig bricht gerade der Ernst des Lebens rein. Ein Coming-of-Age-Film.

Deine Figur begeht gleich am Anfang einen Suizidversuch, ein weiterer in der Mitte des Films gelingt schließlich auch. Da ist es mit dem Coming-of-Age eigentlich schnell vorbei …

Voodoo: Ein zentrales Motiv im Film ist schon, was dieser gescheiterte Suizidversuch mit der ganzen Gruppe macht. Alle versuchen das wegzuschieben, was aber nicht wirklich funktioniert.

In »Another Coin for the Merry-go-round« muss sich eine eingeschworene Indie-Clique (Voodoo Jürgens, Valerie Pachner, Max Bogner) dem Leben stellen. — Foto: KGP Filmproduktion

In den Filmcredits lässt du dich als Voodoo Jürgens anführen. Warum eigentlich nicht als David Öllerer, sondern mit dem Namen deiner Kunstfigur, die mit der Rolle nicht wirklich was zu tun hat?

Voodoo: Ich kann es nicht genau sagen. Es hat mir aber nie getaugt, wenn mein richtiger Name irgendwo drinsteht. Ich finde ihn einfach nicht recht klangvoll. Außerdem hilft es mir, wenn ich einen Character zwischen mich und die Welt schalte.

Hattet ihr eigentlich für den Film einen Crashkurs in Sachen Schauspiel?

Sargnagel: Ich wurde schon ein bisschen gecoacht und erhielt einfache Tipps wie: »Wenn du wütend spielst, dann mach vorher zehn Liegestütz, weil dann bist du außer Atem und ang’fressen.« Oder: »Red immer leiser, als du denkst, dass du reden solltest, weil man dazu tendiert, zu laut zu sprechen.« Also ganz pragmatische Sachen, die mir sehr geholfen haben. Und natürlich ist meine Rolle auch sehr dankbar angelegt. Ich musste selten viel Emotionen zeigen und mein Charakter ist sehr, sehr passiv und die meiste Zeit schlecht gelaunt. Das ist jetzt auch nicht das, was am schwersten zu spielen ist.

Also keine Youtube-Tutorials und Webinare zur Schauspielerei?

Sargnagel: Nicht wirklich, nein. Aber ich hab in der Schule gern geschauspielt. Aber das ist was völlig anderes und schon ewig her.

Im Schultheater? Dürrenmatt oder Nestroy?

Sargnagel: Eine Theatergruppe gab’s an meiner Schule leider nicht regelmäßig, aber wenn, dann Nestroy – »Die schlimmen Buben in der Schule« und so. Ich hab aber einmal aus Interesse auf der Volkshochschule einen Schauspielkurs besucht, und ich war in einem AMS-Kurs für Problemjugendliche, da haben wir auch ein Jahr Schauspiel gemacht. Impro-Theater, um genau zu sein.

Voodoo: Ich brachte nur die Erfahrung mit, die ich auf der Bühne und bei Musikvideodrehs gesammelt habe.

Stefanie Sargnagel: »Ich war im ersten Moment eher ein bisschen schockiert, als ich erfahren habe, dass der Film gemacht wird.« — Foto: Nikolaus Ostermann

Gab’s trotzdem Zweifel bei euch, die Rollen anzunehmen?

Voodoo: Bei mir waren die nicht so groß, weil ich den Regisseur ja schon sehr gut kannte und schon immer in einem Film spielen wollte. Meine Idealvorstellung hat immer so ausgesehen: Ich musizier, und wenn sich einmal was mit Schauspielerei ergibt, dann mach ich das dann auch.

Sargnagel: Ich hatte massive Zweifel. Vor allem, da ich mich selbst spiele, hänge ich schon mit meiner ganzen Credibility drinnen. Ich hatte auch richtig Panik, mir den Film zum ersten Mal anzuschauen, und Angst davor, vielleicht auswandern zu müssen.

Würdet ihr es wieder tun?

Sargnagel: Also ich fand’s auf jeden Fall lustig und es war auch sehr angenehm, sich nicht ständig wie beim Schreiben selber disziplinieren zu müssen. Am Set wird einem ständig gesagt, was zu tun ist – »jetzt darfst du Kaffee trinken«, »jetzt darfst du aufs Klo«, »jetzt kriegst du dein Essen«. Man kann halt komplett abschalten und es war echt ein bisschen Erholung irgendwie.

Dass du dich herumkommandieren lässt, verwundert fast ein bisschen, wenn man deine Texte kennt …

Sargnagel: Na ja, es ist ja freiwillig und nicht autoritär im klassischen Sinn.

Aber basisdemokratisch geht’s beim Film auch nicht zu.

Voodoo: Ja, eh, aber als Hauptdarsteller wird man schon gut behandelt.

Sargnagel: Das stimmt natürlich, da war man schon in einer besonderen Position. Und ich hatte immer das Gefühl, ich bin ein Gegenstand, und alle schauen und passen darauf auf, dass dieser Gegenstand nicht kaputt geht, immer pünktlich transportiert wird und auch gut gewartet, geputzt und gefüttert wird. Da ging es nicht um mein persönliches Wohlbefinden, sondern darum, dass der Film ohne Schwierigkeiten entsteht. Trotzdem war es eine freundschaftliche Teamarbeit.

Die Filme »Sargnagel« und »Another Coin for the Merry-go-round« feiern bei der diesjährigen Diagonale Premiere. Das Festival des österreichischen Films findet von 8. bis 13. Juni in Graz statt. Für beide Filme verlosen wir hier Tickets. Unsere Sonderausgabe zur Diagonale 2021 findet ihr hier.

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